Interview: Dennis Lehane über seine Serie »In with the Devil«

Taron Egerton in »In with the Devil« (Serie, 2022). © Apple TV+

Taron Egerton in »In with the Devil« (Serie, 2022). © Apple TV+

Mr. Lehane, das Buch, auf dem »Black Bird« basiert, wurde vom Protagonisten der Geschichte selber verfasst. Hat das bei Ihnen als dem Autor von Kriminalromanen irgendwelche Zweifel geweckt, dass er seine eigene Rolle geschönt hat? Haben Sie eigene Recherchen angestellt?

Ja, das habe ich. Ich kann aber nicht sagen, dass wir letzte Klarheit erhalten haben, denn viele Beteiligte wollten nicht darüber sprechen, nachdem sie festgestellt hatten (und wir das ebenfalls wussten), dass das, was sie getan hatten, im höchsten Maße illegal war. Wenn Jim Keene im Gefängnis etwas passiert wäre, hätte man die Behörden und die Regierung dafür zur Rechenschaft ziehen können. Deswegen hat man das, soweit wir wissen, auch kein zweites Mal gemacht. Jemanden über etwas sprechen zu lassen, was später als illegale Operation eingestuft wurde, war entsprechend höchst schwierig. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: es gibt eine Sequenz, wo ermittelt wird wegen des Mordes an einem Mädchen, für den Larry Hall verantwortlich gemacht wurde. 2017 wurde festgestellt, dass er es nicht war – in dem Buch »In with the Devil« dagegen wird dieser Mord Larry Hall zugeschrieben. Als ich das las, konnte ich es nicht glauben. Das war der Ausgangspunkt meiner eigenen Recherchen. Was im Film die beiden Polizisten recherchieren, entspricht meinen eigenen Recherchen. Als ich das Buch las, fragte ich mich: hat Larry Hall irgendeinen dieser Morde begangen? Oder hat er sich das nur ausgedacht? Ist er ein serial killer oder aber nur ein serial confessor? Die daraus entstehende Spannung habe ich in die Serie eingearbeitet, denn die findet sich nicht im Buch. Deswegen habe ich auch den Titel des Ganzen geändert. Das Buch von James Keene trägt den Titel »In with the Devil«: da weiß man ja sofort, dass der Andere der Böse, der Schuldige ist. 

Wie unterscheidet sich die Serie darüber hinaus vom Buch? Sind der Wechsel von innen und außen, die Verschränkung von Gegenwart und Vergangenheit in Form von Rückblenden in die Kindheit der beiden Protagonisten schon so im Buch enthalten? 

Vieles davon war schon im Buch. Die erste Folge endet damit, dass Larry Hall sagt, »In meinen Träumen töte ich Frauen – aber das sind nur Träume.« So endet auch das erste Kapitel des Buches. Dann beginnen die Rückblenden mit den Vorgeschichten der beiden Männer, wie sie aufwuchsen, bevor es dann zurück geht in die Gegenwart der Hauptgeschichte. Das war meine erste Entscheidung, die zweite war, von James' Lektüre der Akten zu den dort geschilderten Vorgängen zu wechseln. Die Untersuchung, die Brian Miller in den frühen neunziger Jahren in Sachen Larry Hall anstellte, ist ziemlich genau aus dem Buch übernommen (allerdings waren es mehr als diese beiden Ermittler), auch dass Gary sich von Jimmy eingeschüchtert fühlte und Angst hatte, seine Berufung zu verlieren.

Die vierte Episode sticht heraus, sie ist praktisch ein Kammerspiel, ein Kräftemessen zwischen den beiden Protagonisten, bei dem Jimmy der Wahrheit nahe kommt...

Mir gefiel dieser langsame Spannungsaufbau dabei. Bis auf die erste Episode wurden alle anderen vielfach umgeschrieben, erst im Schnitt merkten wir, was da nicht funktionierte, das war ziemlich spät. 

Sie tragen viele Hüte bei dieser Show, wie man so schön sagt, sind nicht nur Autor und einer der Executive Producers, sondern auch der Showrunner. Bedeutet das, Sie waren auch beteiligt an der Auswahl des Teams und beim Casting?

Ja, ich war an allem beteiligt, I ran the show. Ich war durchaus starrsinnig, was die Auswahl der Mitarbeiter anbelangt, ich wollte kreative Leute, die gut mit anderen zusammenarbeiten konnten und ihre eigenen Entscheidungen treffen konnten – ich sah ihnen nicht dauernd über die Schulter. Während sie den Dreh vorbereiteten, kümmerte ich mich um das Casting. 

Mit dem Regisseur Mikael Roskam haben Sie bereits bei »The Drop« zusammengearbeitet, für den Sie Ihre eigene Kurzgeschichte als Drehbuch adaptierten.

Er hat hier die Kamerafrau Natalie Kingston gefunden, die vorher nur Indies gedreht hatte, der andere unbesungene Star ist die Production Designerin Charisse Cardenas. Bei den Außenaufnahmen von den polizeilichen Ermittlungen haben wir uns an Terrence Malicks »In der Glut des Südens« orientiert.

Mikael Roskam hat nur die ersten drei Episoden inszeniert. Hatte das mit anderen Verpflichtungen seinerseits zu tun? 

Alles sechs wären zu anstrengend gewesen – das kommt selten vor. Wir hatten einen engen Drehplan, die vierte ist so etwas wie eine abgeschlossene Geschichte, dafür engagierten wir Jim McKay und dann Joe Chapelle für die letzten beiden Episoden.

Ihr letzter Roman erschien 2017, Ihre erste Arbeit fürs Fernsehen war 2004 das Drehbuch für eine Episode von »The Wire«. Was gibt Ihnen die Fernseharbeit, das Ihnen das Schreiben von Romanen nicht gibt? Ist es die Zusammenarbeit mit anderen?

Genau – I'm a pretty social animal. Anders als andere Autoren ziehe ich mich nicht gerne zurück, ich bin gern mit anderen zusammen, das stellte ich bei »The Wire« fest. Zudem fällt mir das Schreiben von Romanen immer schwerer – ich habe aber mittlerweile einen fertiggestellt, der im nächsten Jahr erscheinen soll. 

Was genau bedeutet das, wenn Sie sagen, das Schreiben von Romanen falle Ihnen heute schwerer als früher?

Ich habe viel mit anderen Schriftstellern darüber gesprochen. Je kritischer ich gegenüber meiner eigenen Arbeit bin, desto mehr lähmt es mich. Ich habe auch den Eindruck, dass Romane eine emotionale und psychologische Anstrengung erfordern, die ich beim Drehbuchschreiben nicht verspüre. Wenn ich morgens nach dem Aufstehen meine Kinder zur Schule bringe und danach einen Kaffee trinke, dabei mit einer Frau rede und dann ein paar Telefonate mache, bin ich in der realen Welt, da komme ich nicht wieder in die Welt des Romans hinein – mich danach hinzusetzen und ein Drehbuch zu verfassen, ist dagegen kein Problem.

Als nächstes wird man das von Ihnen geschriebene amerikanische Remake des französischen Films »Un Prophete« in den Kinos sehen können, sagt die Internet Movie Database?

Nein, das ist seit einigen Jahren in Turnararound, nachdem die Dreharbeiten zwei Wochen vor Drehbeginn abgeblasen wurden.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich konnte diese gestern schauen, komplett am Stück. Ich bin begeistert, die Erzählung und der langsame Aufbau der Spannung erinnert mich an Stephen King Serien und Filme

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