Interview: Christiane Paul über »Es ist nur eine Phase, Hase«

Christiane Paul in »Es ist nur eine Phase, Hase« (2020). © Majestic Filmverleih/Bernd Spauke

Christiane Paul in »Es ist nur eine Phase, Hase« (2020). © Majestic Filmverleih/Bernd Spauke

Frau Paul, kannten Sie die Buchvorlage zum Film, die es ja auf die Bestsellerlisten schaffte?

Tatsächlich nicht, ich hatte von Jochen Gutsch nur ein anderes Buch gelesen, »Haltet Euer Herz bereit«, was ich sehr mochte. Von diesem Buch hier hatte ich aber gehört, wusste, dass es ein großer Erfolg war und auch, dass es mehr eine Anekdotensammlung war als eine wirkliche Geschichte. Daraus mussten der Regisseur Florian Gallenberger und Malte Welding erst einmal eine wirkliche Story bauen.

Das erreichte Sie also auf normalem Weg über Ihre Agentin – schon mit dem Vermerk »Tolle Rolle, unbedingt lesen!«?

Nein, tatsächlich wollten die erst einmal Probeaufnahmen machen von Christoph Maria Herbst und mir. Christoph war schon besetzt und sie wollten schauen, ob die Paarung funktioniert. Das habe ich verstanden, also reisten der Regisseur und ich nach Prag, wo Christoph damals gerade drehte. Das Drehbuch hatte ich natürlich vorher gelesen und mochte es. Ich mag ganz gern mal so leichte Unterhaltung, die einen Spagat macht zwischen einer Tiefe und eben Leichtigkeit, was die Amerikaner mit ihren Screwballkomödien zur Perfektion getrieben haben. Und das war das hier für mich: dass man eine Ehekrise, eine midlife crisis der Protagonisten erzählt, aber nicht als Drama, sondern auf leichte Weise – das ist etwas, was ich selber gerne anschaue. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich beim Lesen gelacht hab. Also habe ich mir gesagt, dann treffe ich mal Christoph Maria Herbst zum Casting. Florian Gallenberger kannte ich schon seit langem, aber wir hatten noch nie miteinander gearbeitet.

Wenn Sie ein Drehbuch bekommen und mit dem Regisseur noch nicht gearbeitet haben, hängt viel vom ersten Treffen ab?

So ist das immer. Man trifft den Regisseur und schaut sich frühere Arbeiten von ihm an. Vor einiger Zeit habe ich für Sky die Miniserie »8 Tage« gedreht, bei der Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenacher Regie führten. Krummenacher wollte mich schon für seinen Abschlussfilm haben, aber das musste ich damals aus privaten Gründen absagen. Bei »8 Tage« haben wir uns sehr gut verstanden, und es war toll, mit ihm zu arbeiten. Inzwischen haben wir einen weiteren Film, »Der Räuber Hotzenplotz«, gedreht. Wenn das so passt, freut mich das immer - wenn sein Eindruck mit meinem übereinstimmt: das ist ein Geschenk.

Christoph Maria Herbst ist ja vor allem als Comedian bekannt. Hier gibt es eine Szene, wo Sie beichten, dass Sie die Nacht mit einem anderen Mann verbracht haben und hinzufügen, »nur einmal«, woraufhin er ganz trocken antwortet, »Charles Manson hat auch nur einmal Leute umgebracht«. Stand das im Drehbuch oder war das eine spontane Eingebung von ihm? Hat er so etwas öfter gemacht?

Ich glaube, dass das von ihm stammt. Ja. Ich hatte den Eindruck, dass er da nach etwas wirklich prägnant Lustigem gesucht hat. Er hat sich das erarbeitet und dann auch gefunden. Ich habe schon öfter mit Comedians zusammengearbeitet, mit Oliver Kalkofe und Matthias Matschke. Den habe ich danach gefragt. Das ist keine spontane Eingebung, sondern die probieren das schon aus. Und wenn es dann funktioniert, dann machen sie es so. Das war für mich wahnsinnig beruhigend, dass das nicht einfach so kommt, sondern die bauen das und dann testen sie das – »proben, proben, proben«, wie Matthias sagte. Aber sie haben trotzdem ein irres Gespür, mit welchem Timing, mit welchem Gefühl setze ich welchen Satz. Das ist eine besondere Begabung, denke ich.

Der Regisseur hat also nicht gesagt, »Das stand so nicht im Drehbuch, das machen wir noch mal«?

Nein. 

Hatten Sie denn überhaupt vorher Zeit zum Proben? Man hört ja oft, dass dafür Zeit und Geld fehlen oder aber, dass einer der Schauspieler zu Drehbeginn direkt von einem anderen Set kommt. Auf der anderen Seite gibt es Regisseure wie Mike Leigh, die Figuren und Drehbuch in langer Arbeit mit den Schauspielern entwickeln.

Wir hatten hier eine Woche Probentage. Was ich allerdings viel wichtiger finde: wir haben Spiele gemacht, vor allem mit den Kindern, um uns als Familie finden zu können, also etwa blind durch den Raum gehen und fühlen, auf dem Boden liegen und irgendwelche Geräusche machen oder auch Scharade spielen, also sensuelle Verknüpfungen, die tiefere Beziehungsebenen ansprechen. Das finde ich viel wichtiger als detailliert Szenen zu proben. Aber da ist jeder Regisseur und jeder Schauspieler anders. Dany Levy, mit dem ich mehrfach und gerne gearbeitet habe, stellt einfach die Kamera auf und probt gar nicht. Bei »Die Welt der Wunderlichs« musste ich daraufhin erst einmal meine Schockstarre überwinden, aber danach war es gut. Bei »Unterm Radar« habe ich dagegen drei bis vier Tage mit dem Regisseur Elmar Fischer das Drehbuch durchgesprochen um zu sehen, was interessiert mich daran, was ist das für eine Figur? Bei »Borga« von York-Fabian Raabe, der jetzt am 28. Oktober auch in die Kinos kommt, ging es für mich vor allem darum: wo willst Du hin mit der Szene, was willst Du genau von der Figur? Das sind für mich viel wichtigere Punkte als eine Szene im Ablauf zu probieren, da lasse ich mich viel lieber überraschen. Aber bei einer Komödie ist es schon wichtig, wie man wohin kommt.

Welche Szenen haben Sie denn beim Casting in Prag geprobt?

Das war zum einen die Szene im Bad, wo ich ihm von meiner Affäre erzähle, zum anderen die Szene im Film kurz darauf, wo wir unseren Kindern sagen, dass wir uns trennen werden. Es ging vor allem darum, zu sehen, ob wir zusammenpassen.

Buchvorlage und Drehbuch sind von Männern geschrieben, der Film beginnt auch mit der von Christoph Maria Herbst gespielten Figur…

Stimmt, das stammt beides von Männern. Es gab auch ein paar Sachen, wo ich meinen Blick als Frau eingebracht habe. So war zwischendurch die Szene rausgefallen, wo ich mich von meinem Liebhaber trenne. Daraufhin habe ich mit Florian Gallenberger noch mal gesprochen und gesagt, das halte ich für ein Problem, denn alles beginnt ja damit, dass Emilia sagt, »So geht es nicht weiter, ich will autonom und selbständig bleiben«. Sie will eben nicht darauf warten, dass ihr Mann sich von seiner Affäre trennt, sondern vermitteln: Ich als Frau bin autark, es war schön mit Dir, aber auch wenn ich mich von meinem Mann getrennt habe, will ich jetzt allein sein. Man macht diese Frau schwach, wenn sie nicht in der Lage ist, das für sich selber zu entscheiden.

In Ihrer Filmografie habe ich gar keine Lücke entdeckt, das heißt, Sie haben Ihr Medizinstudium parallel zu Ihrer beginnenden Schauspielkarriere bewältigt?

Genau, nur für »Das Leben ist eine Baustelle« hat mich Wolfgang Becker mehr oder weniger »gezwungen« ein Freisemester zu nehmen. Mit ihm habe ich noch mal überlegt, ob man nicht eine Fortsetzung zu diesem Film drehen sollte, denn diese Erwachsenenfilme, die man aus dem französischen oder skandinavischen Kino kennt, wo man die Alltagswirklichkeit des Lebens spüren kann, sind hier doch eher rar gesät. Ob diese beiden Figuren, Jan und Vera, noch zusammen sind oder wo das Leben sie hingetragen hat, das wäre interessant, auch, was aus Berlin in der Zwischenzeit geworden ist. Vielleicht kommen wir noch mal dahin, dass X-Filme das aufgreift.

Gibt es vielleicht noch die Perspektive, etwas aus dem Medizinstudium zu machen? Marianne Koch, die auch eine Ausbildung als Ärztin hatte, hat ja später im Fernsehen eine medizinische Ratgebersendung moderiert.

Denken Sie, ich bin schon nach der Filmkarriere?! Das sehe ich nicht. Nein, ich bin für mich vollkommen im Beruf der Schauspielerin angekommen. Ich hoffe, dass es Rollen gibt, die Frauen mittleren Alters nicht nur als Hausfrauen und Mütter besetzen, denn Film sollte ja schon die gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden. Gerade amerikanische Serienproduktionen zeigen uns da eine große Vielfalt.

Das deutsche Kino hinkt da hinterher…

Insgesamt vielleicht, ja, ich für mich habe mit meinen Rollenangeboten bisher Glück gehabt und dafür bin ich dankbar. Und es gibt natürlich tolle Frauen wie Corinna Harfouch oder Martina Gedeck in Hauptrollen. Aber tatsächlich waren meine interessanteren Rollen in den letzten Jahren alle in internationalen Produktionen, in Frankreich, England und Amerika. In Amerika habe ich den Antagonisten, wenn man so will, den Bösewicht gespielt, eine extrem smarte, aber auch skrupellose Figur, eine Frau, die tötet. Damit können die Amerikaner wesentlich besser umgehen, scheint es. Das war in der Serie »Counterpart« mit J.K. Simmons, wo in der zweiten Staffel meine Figur der Hauptantagonist war, eine sehr komplexe Frauenfigur. In einer CBS-Serie, die ich gerade drehe, spiele ich eine Frau in charge. Irgendwie sind die damit weiter. Diese Rollen, Frauen in charge, die habe ich jetzt alle im Ausland gespielt. Wir haben in Deutschland Politikerinnen, wir haben CEOs, das können Film und Fernsehen auch noch mehr abbilden.

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