Interview: Marvin Kren über seine Serie »Freud«
© ORF/Jan Hromádko
Herr Kren, Sigmund Freud haben wir zuletzt auf der Leinwand gesehen in Gestalt von Bruno Ganz im Film »Der Trafikant«. Haben Sie Sich im Vorfeld frühere Freud-Darstellungen in Kino und Film angesehen, um herauszufinden, wie (und wie anders) Ihr eigener Freud aussehen sollte?
Ja, allerdings nicht den genannten Film, denn der spielt in den dreißiger Jahren und zeigt den alten Freud, schon aber John Hustons »Freud« und Axel Cortis Fernsehfilm »Der junge Freud«, in denen es wie bei uns um den jungen Freud geht. Dabei fiel uns auf, dass Freud dort der Archetyp eines Intellektuellen ist, sehr zögerlich, ein fast ängstlicher Mensch, der mit in seinen Gedanken in den Büchern lebt. Unsere Figur sollte da eine Spur provokativer sein – das erforderte auch unsere Geschichte, deren Grundkonzept von dem Produzenten Heinrich Ambrosch stammt, der eine Art Crime-Geschichte machen wollte. Unser Freud ist eine kontroverse Figur, einerseits ausgestattet mit großer Intelligenz und mit der Fähigkeit, jemanden in die Augen zu schauen und darin mehr zu sehen als der Betreffende preisgeben möchte; andererseits ist er auch rastlos überehrgeizig und besessen von dem Wunsch, sich in der Gesellschaft eine Position zu schaffen. Er war ein junger jüdischer Arzt, der nicht mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet war. Das, gepaart mit einer extensiven Kokainsucht, ist eine explosive Mischung.
Wie in Roman Polanskis letztem Film »Intrige« spielt auch bei Ihnen der Antisemitismus eine nicht unwichtige Rolle. Würden Sie sagen, das haben Sie im Hinblick auf heutige Verhältnisse etwas zugespitzt ist oder ist das alles belegt?
Das ist durchaus belegt. Juden in Wien um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts hatten tatsächlich keinen leichten Stand, und es ist ebenfalls überliefert, dass Freud des öfteren angegriffen wurde und sich auch gewehrt hat. Eine Geschichte aus seiner Kindheit diesbezüglich muss ein tiefes Trauma bei ihm hinterlassen haben: Als Kind wurden er und sein Vater auf offener Straße beleidigt und sein Vater hat sich in seiner Erinnerung nicht gewehrt. Das war etwas, was ihn lange beschäftigte.
Wie sahen Ihre Recherchen aus? Die Anzahl der Freud-Biografien ist ja groß…
Den Zeitgeist konnten wir über viele tolle Bücher erfassen, die in Österreich auch zur Schullektüre gehörten: vor allem Stefan Zweig und Arthur Schnitzler. Andererseits muss man auch Freud lesen. Dem alten Freud ging es stark darum, seine Biografie zu kontrollieren, deswegen hat er alle Schriften aus der damaligen Zeit – bis zu dem Moment, wo er wusste was er wollte – zerstört. Wir erzählen das Jahr 1886, wo Freud auf der Suche nach etwas war, was ganz tief in seinem Kopf schon da war, was er aber erst noch formulieren musste. Von der Hypnose, mit der er sich damals beschäftigte, liest man relativ wenig in den Büchern, weil er die später zugunsten der freien Assoziation abgelegt hat. Aber sie war definitiv eine ganz wichtige Vorstufe in seiner Arbeit. Für mich als Filmemacher war es spannend herauszufinden, wie fühlt sich Hypnose an? Und wie kann ich sie visuell darstellen? Deswegen habe ich mich auch einmal selber hypnotisieren lassen.
Sie haben schon erwähnt, dass die Ausgangsidee mit dem Crime-Element vom Produzenten stammte. Ihre ersten beiden Langfilme »Rammbock« und »Blutgletscher« waren im Bereich des Horrorfilms angesiedelt, Sie sind also Genre-affin. Ist das eine Hilfe, wenn man den Zuschauer mit bestimmten Genremustern an Dinge heranführen kann, oder können Genreregeln manchmal auch eine Last sein?
Benjamin Hessler, mein langjähriger Ko-Autor, und ich lieben arthouse-Filme, die character-driven sind, wo man mit einer Figur mitfiebert, wie etwa Darren Aronofskys »The Wrestler« – Filme, die einen ganz stark an eine Figur binden. Andererseits lebt in uns etwas Kindisches, das den Zuschauer gern erschreckt und weiß, dass das Leben schnell zu Ende gehen kann. Wir machen Genrefilme nicht des Genres wegen, sondern genau aus dieser explosiven Mischung heraus. Bei aller Liebe zum Genre steht nicht im Vordergrund für uns, Genreregeln abzuhaken, sondern immer die Figur.
Wo haben Sie das Wien dieser Zeit gefunden, wo haben Sie gedreht?
Hauptsächlich in Tschechien, wo viele Bauten noch eine Patina haben, während in Wien schon viel zu Tode renoviert wurde.
Mit Georg Friedrich und Ella Rumpf haben Sie einige bekannte Darsteller dabei, der Titeldarsteller Robert Finster ist dagegen in Deutschland ein eher unbeschriebenes Blatt.
Das war die größte Herausforderung, da gab es viele Vorschläge, ich habe 35 junge Männer zum Casting geladen. Robert Finster ist mir oder meiner Mutter in einer Theaterproduktion aufgefallen. Er war beim Casting der Erste und der Einzige, der die Probeszene so interpretiert hat, dass ich dachte, aha, so könnte es gehen. Was er als einziger gemacht hat, war, die Hypnose wie den Akt eines finsteren Zauberers zu zeigen. Er hatte fast eine dämonische Kraft, eine wahnsinnige Intensität in seinen Augen. Er musste allerdings noch durch fünf weitere Castings, bis wir ihn bei den verschiedenen Produzenten durchsetzen konnten.
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