Interview: Benedict Andrews über »Jean Seberg – Against all Enemies«
Benedict Andrews © 2019 PROKINO Filmverleih GmbH / Saga Sig
Mr. Andrews, in einer Szene Ihres Films hält die Ehefrau des Black Panther-Aktivisten Hakim Jamal Jean Seberg vor, »You’re just a tourist!« Würden Sie das auch so sehen, nachdem Sie Sich ausführlich mit der Materie auseinandergesetzt haben?
Das ist ein sehr komplexer Moment im Film, denn hier kommt vieles zusammen: Jean Sebergs Idealismus, ihre politischen Auffassungen und ihr Liebesleben vermengen sich. Bis zu diesem Moment ist sie gradlinig vorwärts marschiert in ihrem Engagement – ihr Ehemann Romain Gary hat einmal geäußert, bei ihr war es immer »Sympathie auf den ersten Blick«. Sie ist ja schon mit 14 Jahren der NAACP beigetreten, die sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen einsetzte, es war ihr also Ernst mit ihrem Engagement für die Bürgerrechte. Ich denke, die Verknüpfung mit ihrem Liebesleben macht ihr politisches Engagement nicht weniger aufrichtig, aber doch komplizierter. Sie führte damals ein einsames Leben, Ehemann und Kind sind in Paris, sie bewegt sich in einer Art von modernistischem gläsernen Schloss in den Hollywood Hills, von wo aus sie hinabsteigt in das Leben von Hakim. Was Dorothy hier sagt, ist auch die Aussage einer betrogenen Ehefrau. Einerseits kämpfen die Frauen auf derselben Seite, andererseits ist da die Affäre Jeans mit Dorothys Ehemann. »Du hast nie so gelebt wie ich«, hält Dorothy Jean auch vor, »deshalb kannst Du meine Situation auch nicht begreifen.«.
Der Film hat eine lange Entstehungsgeschichte…
Das stimmt, das Autorenehepaar hat mir davon erzählt, dass dies ihr allererstes Drehbuch war, das verschiedenste Veränderungen durchlief. Zu mir kam es in einer Form, die noch zahlreiche andere Geschichten einband, aber mir war es wichtig, einen Fokus zu finden. Es gibt ja zwei Perspektiven, die von Jean und die des FBI-Mannes Jack – von dessen Geschichte war noch viel mehr in der Drehbuchfassung enthalten, die ich bekam. Das erforderte einiges an Komprimierung. Ich wollte die Geschichte auch mehr in Richtung der Schauspielerin Jean Seberg erweitern, weil mich das als Regisseur, der das Privileg hatte, am Theater mit vielen großen Schauspielern und Schauspielerinnen zusammen zu arbeiten, interessierte, gerade im Hinblick auf das Ineinandergreifen von beruflicher und privater Ebene.
Hatten die Autoren die Vorstellung, durch die Perspektive von Jack ein größeres Publikum erreichen zu können? Jene, die eher mit dem staatstragenden FBI sympathisieren als mit einer Schauspielerin, die radikale Ansichten vertritt?
Ich glaube, es war eher die Tatsache, dass nicht jeder weiß, wer Jean Seberg ist, die sie zu diesem Kunstgriff führte. Filminteressierte kennen sie, aber sie ist nicht Marilyn Monroe oder James Dean. Dass der FBI-Mann über sie recherchiert, gab uns die Möglichkeit, Archivmaterial einzubauen, etwa die Probeaufnahmen für ihren allerersten Film, »Saint Joan«. Für mich ist der Film übrigens auch eine Liebesgeschichte zwischen dem jungen FBI-Mann und Jean – es gibt die Liebesgeschichte zwischen Jean und Hakim und die zwischen Jack und seiner Ehefrau, aber eben auch diese. Er weiß mehr von ihr als alle anderen.
Ich vermute, die meisten Menschen, wenn sie nicht gerade ausgesprochene Cineasten sind, denken bei dem Namen Seberg nur an Godards »Außer Atem« und wissen nichts von ihrem tragischen Ende?
Das stimmt. Was ich selber nicht wusste, ist die Tatsache, dass Jean Seberg so viel in Bewegung setzte: aus einem Erlebnis von ihr machte Romain Gary den Roman »Chien Blanc«; der die Vorlage für Sam Fullers Film »White Dog« war. Und als sie in Mexiko »Macho Callahan« drehte, hatte sie eine Affäre mit dem Schriftsteller Carlos Fuentes, der dann den Roman »Diana, the Goddess Who Hunts Alone« schrieb, deren Titelfigur an Seberg angelehnt ist. Hakim Jamal schrieb ebenfalls ein Buch über sie – keines dieser Bücher ist wirklich großartig, aber es ist erstaunlich, was Seberg alles angeregt hat.
Kristen Stewart wurde von Ihnen besetzt?
Ja, in Absprache mit meinem Produzenten. Ich fand ihre Arbeit in Olivier Assayas' Film »Personal Shopper« sehr interessant, sie war damals selber in einer Phase der Transformation, das war ideal für diese Rolle. Es ist nämlich gar nicht so einfach für eine Schauspielerin, eine andere Schauspielerin zu verkörpern, das wird leicht eine Imitation oder aber das Echo eines Echos. Zudem gibt es auch die Gemeinsamkeiten zwischen beiden; beide wurden in jungem Alter berühmt, standen immer im Licht der Öffentlichkeit und wurden von den Medien verfolgt.
Haben Sie mit Kristen Stewart über ihre diesbezüglichen Erfahrungen gesprochen?
Das war gar nicht notwendig. Einmal waren wir in ihrem Haus und sie nahm mich hinterher in ihrem Auto mit, um mich irgendwo abzusetzen. Da sprach sie darüber, bei welcher Straße die Wahrscheinlichkeit größer wäre, dass aus ihr Paparazzi auftauchen würden. Diese Überlegung immer im Hinterkopf zu haben, fand ich schon bemerkenswert. Aber am Ende vergisst man das alles, da geht es nur um das Verhältnis zwischen Regisseur und Schauspielerin und nicht darum, dass sie eine historische Figur verkörpert.
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