Interview: Nicolas Bedos über seinen Film »Die schönste Zeit unseres Lebens«
Nicolas Bedos am Set von »Die Schönste Zeit unseres Lebens« (2019). © Pathé Films
Monsieur Bedos, zu welchem vergangenen Moment würden Sie zurückreisen, wenn es diese Möglichkeit, von der Ihr Film erzählt, wirklich gäbe?
Einige meiner Fantasien kommen im Film schon vor, etwa mit Hemingway, Faulkner und F. Scott Fitzgerald einen Whisky trinken oder einem Klavierspieler zu lauschen und schönen Frauen beim Tangotanzen zuzusehen. Aber vielleicht auch dem Zweiten Weltkrieg, einem der größten Monster, das die Weltgeschichte gesehen hat, auf komisch-tragische Weise ins Gesicht zu schlagen. Aber vielleicht auch in die 1970er Jahre, die für mich etwas Befreiendes und Sinnliches haben. Das sind Epochen, die mich sehr faszinieren.
Ist denn nach Ansicht des Films jemand auf Sie zugekommen und hat gefragt, »Wo kann ich das buchen?«
Guillaume Canet hat während der Dreharbeiten mehrmals laut darüber nachgedacht, ob man so etwas nicht auf die Beine stellen könnte, denn er ist jemand, der gerne neue Dinge ausprobiert. Als wir den Film in verschiedenen Ländern vorgestellt haben, sahen wir, dass es so etwas teilweise schon gibt – es hatte aber immer mit Krieg und Militär zu tun, die in Rollenspielen nachempfunden werden. Der Aufwand für das, was ich im Film zeige, wäre immens, das stände der Umsetzung doch letztlich entgegen. Aber wenn es eines Tages jemand realisiert, würde es mir natürlich sehr schmeicheln.
Das heißt, es ist noch kein wohlhabender Geschäftsmann auf Sie zugekommen, der das umsetzen wollte?
Der Film wird dann ein Erfolg, wenn es diesen Typ eines Tages geben wird.
War Ihr Ausgangspunkt die nostalgische Erinnerung an die Vergangenheit oder aber die Geschichte eines Paares, das sich voneinander entfremdet hat?
Ich wollte in der Tat mehr machen als nur die Geschichte eines Mannes erzählen, der von der Zeit überrollt worden ist und deshalb in die Vergangenheit flüchtet. Ein Paar hat eine starke Symbolkraft, denn der eine hält dem anderen den Spiegel vor. Das kann eben auch sehr hart sein, so wie hier Fanny Ardant mit der Figur von Daniel Auteuil umgeht, birgt damit aber auch ein ganz anderes Potenzial in sich.
Hat sich Ihr eigenes Verhältnis zu einer Reise in die Vergangenheit durch die Arbeit am Drehbuch und den Dreh verändert?
Nun, ich hatte sehr viel über die siebziger Jahre gehört, vor allem durch die Erzählungen meiner Eltern. Und in gewisser Weise ist dieser Film auch eine Hommage an meine Eltern. Bereits in meinem ersten Film »Die Poesie der Liebe« habe ich mich mit dieser Zeit auseinandergesetzt und musste mich jetzt auch bremsen um nicht darauf zu verfallen, damals sei alles besser und schöner gewesen. Ich wollte keinen morbiden Film über einen Mann machen, der sich zurückversetzt in diese Zeit seines Jungseins. Machen wir uns nichts vor: hätte Victor in den fünfziger Jahren gelebt, hätte er sich auch damals in eine frühere Zeit zurückgesehnt und ein idealisiertes Selbstbild seiner Person als junger Mann konstruiert, als er noch mehr Energie hatte, seine Talente zu entfalten.
Man kann den Film als romantische Komödie einstufen, er hat aber auch genuin dramatische Momente. Mussten Sie da im Schnitt die Balance finden, weil die Geschichte beim Dreh auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat, oder aber war das schon im Drehbuch exakt so austariert?
Dieser Tonfall war auch schon in meinen früheren Filmen, ebenso wie in meinen Theaterarbeiten, der vorherrschende – für mich ist das der natürlichste Tonfall, sehr organisch. Ich bin schon jemand, der das Lyrische liebt, auf der anderen Seite aber auch Sarkasmus durchaus mag, jemand, der Emotion will, aber auch gleichzeitig weiß, wie so etwas hergestellt wird - nach einem langen Kuss kann durchaus einmal eine Ohrfeige folgen. Das schätze ich auch bei bestimmten Chansonsängern oder auch Schriftstellern, die diese Balance beherrschen.
Ist das auch der Grund dafür, dass der Film auch eine Reihe von eher expliziten sexuellen Szenen enthält, die ihn in der Realität verankern?
Man muss den Zuschauer immer wieder mal wachrütteln, wenn er sich zu sehr in der Gemütlichkeit eingenistet hat. Dazu gehört auch, dass ich nicht durchgehend die Perspektive meines Protagonisten einnehme.
Ich vermute, in diese Richtung zielt auch der Prolog des Films, der recht drastisch ist und mich an Theateraufführungen erinnerte, in der die Schauspieler die Bühne verlassen und das Publikum miteinbeziehen. Er lässt eher ein nachfolgendes Drama erwarten.
Das Ziel war schon, dass der Zuschauer sich fragte, in welchem Film bin ich hier eigentlich – so, wie sich der Protagonist fragt, in welcher Zeit lebe ich eigentlich. Den Zuschauer so zu überraschen, hat mir eine Menge Vergnügen bereitet, auch wenn das für den Produzenten ziemlich teuer war.
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