Frauenfestival in Dortmund
»In Search...« (2018)
Und es wird doch gebraucht. Das Frauenfilmfestival Dortmund/Köln überzeugte unter neuer Leitung mit einem kämpferischen und ästhetisch überzeugenden Programm
Bei Preisverleihungen und Filmfestivals weltweit merkt man, dass »Proquote«- und »#metoo«-Bewegungen langsam deutliche Wirkung zeigen. Interessant ist dabei, dass sich dies keineswegs negativ auf schon bestehende frauenspezifische Formate auswirkt. Im Gegenteil: Beim Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund/Köln jedenfalls, dem in den letzten Jahrzehnten immer wieder mal die Daseinsberechtigung abgesprochen worden war, ließ sich dieses Jahr deutliche Inspiration durch die neu erstarkte feministische Dringlichkeit wahrnehmen. Das ging bis zur Preisverleihung, wo statt der üblichen Danksagungen leidenschaftliche Appelle von Teilnehmerinnen aus aller Welt gegen Diskriminierung und Gewalt unter die Haut gingen. Und für das obligatorische Abschlussfoto reckten beide Hauptpreisträgerinnen die Faust in die Luft. Klassenkampf wohl nicht, Kampfeswille aber sicher.
Und Genugtuung. Denn zum einen hatte die auf der Berlinale mit zwei Nebenpreisen abgespeiste grandiose anti-patriarchale Groteske »God Exists, Her Name Is Petrunya« der mazedonischen Regisseurin Teona Strugar Mitevska mit dem Hauptpreis des Spielfilmwettbewerbs hier den gebührenden Respekt bekommen. Zum anderen gewann mit »In Search...« der KHM-Studentin Beryl Magoko ein Dokumentarfilm zu dem von Verleihern ängstlich gemiedenen Thema Genitalverstümmelung mit großer Mehrheit ausgerechnet den Publikumspreis.
Zwei Entscheidungen mit zu erhoffender Signalwirkung weit über das traditionsreiche Festival hinaus, bei dem es dieses Jahr nach dem altersbedingten Rückzug der langjährigen Leiterin Silke J. Räbiger einen Führungswechsel gab. Neu an der künstlerischen Spitze ist Maxa Zoller, die zuletzt als Dozentin und Kuratorin in Kairo aktiv war und bei ihrer ersten Dortmunder Ausgabe mit Omnipräsenz und Spontaneität überzeugte. Personell setzt sie mit dem bewährten Team auf einen gemeinschaftlichen Arbeitsstil. Thematisch will sie neue Akzente vor allem in Richtung Diversität auch jenseits genderbezogener Aspekte entwickeln.
Sichtbar war dies im Programm am deutlichsten in der stark afrika-affin und politisch kompetent besetzten Jury mit der Kairoer Filmprofessorin Terri Ginsberg, der nigerianischen Frauen-Medien-Aktivistin Edima Otuokon und der ebenfalls in Nigeria geborenen deutschen Regisseurin Sheri Hagen. Die war – für ein Publikumsgespräch zum Thema Diversität – auch mit ihrem 2012 entstandenen Spielfilm »Auf den zweiten Blick« im Programm: einem Ensemble eher konventioneller Berliner Beziehungsgeschichten, das sich aber durch das Detail auszeichnet, die dunklere Hautfarbe der meisten Figuren nicht als etwas Besonderes zu markieren. Eine gute Schule im Umgang mit unseren rassistisch geprägten Seherwartungen.
Neu ist das Augenmerk auf Vielfalt beim IFFF allerdings nicht. Erst letztes Jahr gab es für den traditionellen Länderfokus die einleuchtende und klug umgesetzte Idee, den Blick einmal von außen auf unser eigenes Land zu richten. Kontinuität (und Vielfalt) fanden sich in diesem Jahr auch beim breiten Spektrum der Formen, die mit Performances, Konzerten und Stadtbespielungen weit über die Projektion von Film auf Leinwand hinausgehen. Bei den Filmen selbst reichte das Spektrum von Experimentellem über historische Stummfilme und Arthouse bis zu populären Genre-Stücken wie »Endzeit« von Caroline Hellsgård, einem schon in viele Länder verkauften Öko-Zombie-Thriller mit einer all-female crew.
So lassen sich im Spiel zwischen (Film-)Geschichte, Stoffen und unterschiedlichen Herangehensweisen immer wieder überraschende und erhellende Bezüge finden. Dass das im Katalog so anregend klingende Festivalmotto »Bilderfallen: Täuschung, Tarnung, Maskerade« dabei praktisch nicht immer gefunden werden konnte, deutet auf ein scheinbar nebensächliches, doch strukturell zentrales Problem, das das Festival seit langem begleitet: eine Programmstruktur, die auf Wiederholungen ganz verzichtet und zu viel parallel präsentiert. So geht in den notgedrungenen Auslassungen durch Überschneidung auch der fleißigsten Besucherin immer wieder der rote Faden verloren.
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