Filmmuseum Potsdam: »Alles dreht sich . . . alles bewegt sich«
»Heißer Sommer« (1968)
Mit der Ausstellung »Alles dreht sich . . . alles bewegt sich« widmet sich das Filmmuseum Potsdam den vielfältigen Wechselwirkungen zwischen dem Tanz und dem Kino
Im hochgeschlossen engen, langen Kleid in grau gedämpftem Beigepastell ist Cyd Charisse in »Silk Stockings« die personifizierte Sinnes- und Bewegungsfeindlichkeit. Steif und unnahbar sitzt sie auf dem Sofa, während Fred Astaire ihr gegenüber kaum stillstehen kann. Mag schon sein, dass er sich bewege, allerdings ohne voranzukommen, blafft sie ihn an, doch wie er dann gegen alle Widerstände ihre Hände ergreift und ihren Körper sanft in Bewegung versetzt, bis er sich immer weicher in den Sog kreisender Tanzschwünge fallen lässt, gehört zu den schönsten Tanzszenen der Kinogeschichte. Tanz ist zugleich persönlicher Ausdruck und individuelle Befreiung, laszive Verführung und aggressiver Frontalangriff. Tanz und Kino, das ist eine Wahlverwandtschaft, deren vielschichtige Beziehungen das Filmmuseum Potsdam derzeit unter dem Titel »Alles dreht sich . . . alles bewegt sich« in einer Ausstellung mit begleitender Filmreihe erforscht, von den starren Anfängen der Guckkastenaufsichten aus dem Zuschauerraum über die blühende Blumenornamentik der großen Busby-Berkeley-Musicals bis zum flirrend delirierenden Strudel beweglicher Kameras heute. Im weichen Fluss eines Walzers, im zarten Schmelz eines Schiebers, im flotten Drive eines Mambo, im wilden Schwung des Disco, im harten Stakkato des Technobeats verwandeln sich die fünf Ausstellungsräume vom Ballsaal zum Revuetheater, zur Disco, zur Bar, zum Technoclub, zum Probenraum und zur Garderobe.
Die Projektionen auf großen Leinwänden und kleinen Bildschirmen ziehen den Betrachter weiter, durch die verwinkelten langen Gänge von Raum zu Raum, vorbei an Filmpostern und Aushangfotos, an Kostümskizzen und Setdesign-Entwürfen, an Kostümen und Requisiten. Ganz in Weiß überstrahlt die Ballerina die düsteren Szenerien von Powell und Pressburgers »Die roten Schuhe« in Hein Heckroths Aquarellen und Gouachen, schon in den Skizzen kollidiert der delirierende Bewegungsrausch mit dem heftigen Sturm der Gefühle, die brennende Leidenschaft für den Tanz mit den Gefühlen für einen Mann. Und in der Vitrine daneben zeugt ein kleiner Blutfleck an der Innenseite des roten Balletschuhs von den Strapazen auf dem Weg zur Perfektion, von dem wiederum auch die Proben-Musicals »Fame« und »Flashdance« erzählen, bis hin zur psychischen und physischen Auflösung der Tänzerin in Darren Aronofskys »Black Swan«. Es dauerte nicht lange, bis die Kameras ihre frontal beobachtende Position im Zuschauerraum aufgaben, um sich dem Rhythmus von Bewegung und Schnitt hinzugeben, sich mitreißen zu lassen: In der Mitte des Ballsaals findet sich ein Paar, von den Seitentüren fließen die Tänzer herein, verbinden sich in Lubitschs »The Merry Widow« zum wogenden Meer aus schäumenden Bewegungen, das durch einen engen Spiegelgang schwappt, um sich anschließend in die anliegenden Räume zu ergießen.
Immer wieder verschieben sich in der Bewegung die Kräfteverhältnisse, wenn Asta Nielsen mit ihrem Tanzpartner Fesselspiele treibt, wenn Salomé und Mata Hari die Aufmerksamkeit der Männer auf sich ziehen, während sie ganz andere Ziele verfolgen, wenn sich der kleine Billy Elliot tanzend aus der Schwere des Seins im Kohlenbergbau in die Lüfte erhebt, bis hin zur völligen Auflösung der Körper im Serpentinentanz von Loïe Fuller. Schlaglichtartig blitzen in der Ausstellung verschiedene Motive auf, die im Katalog thematisch vertieft werden. Der Tanz präsentiert sich in seinen vielfältigen Erscheinungsformen, zwischen den expressiven Selbstverwirklichungstänzen von Mary Wigman oder Leni Riefenstahl und den zackigen Massenchoreographien der großen Musicals. Immer geht es dabei auch um die Eroberung des Raumes mit den Mitteln der Bewegung, um seine Bändigung durch den Rhythmus, in den sterilen Studioräumen ebenso wie auf den vibrierenden Straßen der Stadt und an den hitzigen Stränden im Sommer, in Spielfilmen ebenso wie in Dokumentationen.
Die Ausstellung läuft vom 15.07.2017 - 22.04.2018
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