Interview mit Hossein Amini über seinen Film »Die zwei Gesichter des Januars«
© Studiocanal
Hossein Amini im Gespräch mit epd Film-Kritiker Frank Arnold über seinen neuen Film Die zwei Gesichter des Januars
In Ihren Anmerkungen zum Film sprechen Sie von einer persönlichen Beziehung zu dem Stoff...
Das bezieht sich auf die Schwäche und die Zerbrechlichkeit der Figuren. Als ich den Roman las, blieben mir die Figuren im Gedächtnis, vor allem Chester. Patricia Highsmith versteht sich auf die Schilderung der kleinen Dinge - etwa wenn jemand verliebt ist in Dich, weißt Du, womit Du ihn verletzen kannst. Chester ist jemand, der in seine Frau verliebt ist, sie aber trotzdem fortwährend verletzt. Wenn Chester am Ende des Romans Rydal gehen lässt, empfinden das viele Leser als nicht sehr befriedigend, sie meinten, er gehörte ins Gefängnis. Ich dagegen fand das höchst bewegend, weil sie diesem verbrecherischen Charakter einen Moment von Liebenswürdigkeit gibt - das blieb mir im Gedächtnis haften, all die 25 Jahre.
Könnte man diese Figur als "Tom Ripley light" charakterisieren?
Ja, als eine mildere und weniger kompetente Version von Ripley. Er macht fortlaufend Fehler, wenn auch Viggo durch seine Darstellung ihm mehr Würde verleiht und ihn ein Stück weit glamouröser macht – dafür haben wir uns ein wenig bei Scott F. Fitzgeralds Tender is the Night und auch bei seinem Großen Gatsby bedient. Am Ende ist er ein Verlierer, aber ich finde solche Figuren heroisch, weil sie in ihrem Versagen so lebensecht sind – das ist nun einmal eine unangenehme Wahrheit.
Als Patricia Highsmith das Romanmanuskript damals bei ihren Verlag ablieferte, wurde ihr gesagt, die Leser könnten nicht gleich drei neurotische Hauptfiguren ertragen. Ist das eine Erfahrung, die Sie ebenfalls machen mussten, als es um die Finanzierung des Films ging?
Ich weiß, dass dies kein Film für jedermann ist. Als wir ihn einem Testpublikum zeigten, mussten wir feststellen, dass ein nicht geringer Teil davon die Figuren nicht mochte. Und das verhinderte, dass sie zu ihnen eine emotionale Verbindung aufbauen konnten. Ich finde ihre Schwächen dagegen sehr attraktiv, durchaus ansprechend. Gerade in einem Kinoklima, in dem es um Gewinner geht, sind Verlierer ansprechend – nicht die Feier eines Sieges, sondern das Eingeständnis einer Niederlage: das machte es schon schwer.
Wurden von Produzentenseite während des langen Weges der Entstehung des Films je "kreative Ideen" geäußert, wie man das abmildern könne?
Ich konnte ziemlich unabhängig arbeiten, gerade wenn man bedenkt, dass dies ein Erstlingsfilm ist. Das Schwierigste am ganzen Prozess war es für mich, den Film in der Postproduction wieder und wieder anzusehen. Ich konnte all meine Fehler erkennen und sah schon die negativen Kritiken vor mir - ich projizierte meine Ängste auf den Film und musste gleichzeitig eine Distanz zu ihm herstellen.
Wurde je in Erwägung gezogen, die Geschichte, die im Film wie im Buch Anfang der sechziger Jahre spielt, in die Gegenwart zu verlegen? Oder hätte das nicht funktioniert?
Ich glaube, das wäre schwer gewesen, einfach, weil es heute viel leichter ist, Menschen zu überwachen – denken Sie nur an die ganzen Kameras, die in Großbritannien installiert wurden und die Straßen rund um die Uhr beobachten.
Nach 18 Jahren als Drehbuchautor ist dies Ihr Regiedebüt. Wie haben Sie das Handwerk des Regieführens erlernt? Waren Sie bei den Dreharbeiten der Filme dabei, die Sie geschrieben haben?
Das auch, aber vor allem habe ich viele Filme gesehen, schon seit ich sehr jung war. Dieser Film ist von den großen Thrillern der fünfziger und sechziger Jahre beeinflusst, aber auch von den Arthouse-Filmen, die sich rückblickend mit dieser Zeit beschäftigen. Auch Antonionis Filme über das Zerbrechen von Ehen spielten eine Rolle.
War Patricia Highsmith noch am Leben, als Sie Sich erstmals um die Rechte bemühten?
Das war 1995, einige Jahre nach ihrem Tod. Ich hatte damals Jude für Michael Winterbottom geschrieben und danach fragte mich die BBC, ob es einen Roman gäbe, den ich gerne adaptieren würde. Danach begann die Durststrecke der Finanzierung. Niemand war interessiert, bis Viggo Mortensen an Bord kam.
Oscar Isaac ist den meisten Kinohängern erst durch Inside Llewellyn Davis bekannt geworden. Wie sind Sie auf ihn gekommen?
In Drive spielte er den Ehemann von Carey Mulligan und ich habe mit ihm an seiner Rolle gearbeitet. Ihm gefiel die Rolle zu Beginn nicht so sehr, deswegen habe ich einiges umgeschrieben, er steuerte einige fantastische Ideen bei, und ich begriff, dass er eine spezifische Qualität hat, eine gewisse Unschuld in seinen Augen, die mir für die Rolle in Die zwei Gesichter des Januars sehr passend schien. Ich habe mir eine Reihe von Schauspielern angesehen – im Buch ist er ein blonder WASP-Typ – man brauchte schon jemand Besonderen, der neben Viggo bestehen konnte. Durch seine Leistung in dem Film der Coen-Brüder wurde er dann auch ein Kapital – ohne den wäre es für mich sehr viel schwieriger gewesen, ihn zu besetzen, zumal ich ein Regiedebütant war.
Sie erwähnten, dass Se mit am Drehort von Drive gearbeitet haben. Sind Sie oft bei den Dreharbeiten der Filme, die Sie geschrieben haben, dabei gewesen? Gab es auch Regisseure, die das nicht wollten?
Nicolas Winding Refn war in dieser Hinsicht der offenste von allen. Er bat mich, nach Los Angeles zu kommen, wo ich mit ihm in einem Haus lebte. Jedes Mal, wenn er an den Drehort ging, sprach ich mit den Schauspielern, Ich empfand das für einen Autor als sehr nützlich – miteinbezogen zu werden in die Gespräche. Bei diesem Film begannen wir mit den Proben einen Monat vor dem Dreh, was mir die Gelegenheit gab, das Buch anzupassen. Denn oft finden die Proben erst unmittelbar vor Drehbeginn statt, was dem Autor keine Möglichkeit mehr für Änderungen gibt. Nicht alle Regisseure sind da so offen wie Refn. Ich würde es gerne immer so machen, denn es macht keinen Sinn, einen guten Dialog zu schreiben, wenn der Darsteller ihn nicht sagen kann oder will.
Die meisten Ihrer Drehbücher waren ja Adaptationen literarischer Vorlagen….
Ja, Lesen war immer eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Ich liebe Romane, die Raum lassen für eine Adaption. Die Flügel der Taube hatte gar keine Szenen, sondern wurde rückblickend erzählt. Der Highsmith-Roman dagegen hat drei Personen in seinem Zentrum. Es ist gerade die so genannte "Unverfilmbarkeit", die es erlaubt, solche Romane zu adaptieren. Bei einer Adaptation merkt man, was einem selber wichtig ist an der Romanvorlage. Jeder Leser kennt das.
Ihre Herangehensweise bei einer Adaption ist also immer die gleich? Sie versuchen, die Essenz heraus zu filtern.
Ja, gewissermaßen eine Schneise in seine Vielschichtigkeit zu schlagen. Wenn man dagegen von einem Roman sagt, erwürde einen perfekten Film abgeben, bin ich eher skeptisch.
Wenn Sie einen Drehbuchauftrag bekommen, steht dann der Regisseur normalerweise schon fest, so dass er Ihnen seinen Standpunkt erläutern kann?
Normalerweise kommt der erst später hinzu. Aber dann macht er natürlich deutlich, was ihm wichtig ist – einige mehr als andere. Ich sehe Film als Medium des Regisseurs an, wenn gedreht wird, haben sie sowieso das Sagen.
Die zwei Gesichter des Januars wurde ganz ohne Geld aus den USA gemacht?
Ja, und ich hoffe, Studiocanal kann das weiterhin so machen. Jude habe ich seinerzeit für Polygram geschrieben, das kam mir damals vor, wie das Goldene Zeitalter des britischen Kinos.
Wie haben Sie angefangen in der Filmindustrie?
Ich schrieb das Drehbuch für eine Miniserie, ausgehend von meiner Erfahrung als exilierter Iraner in den achtziger Jahren, das war eine Art Thriller. Am Ende wurde die Serie nicht gedreht, sie hatten gerade "The Buddha of Suburbia" ausgestrahlt, der zwar gute Kritiken, aber nicht die erhofften Zuschauerzahlen hatte. Aber jemand las das Drehbuch und so kam es dazu, dass ich die Adaption von Thomas Hardys Jude für Michael Winterbottom machen konnte.
Mit Hossein Amini sprach Frank Arnold
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