Interview mit Christian Alvart über seinen Film »Banklady«
Geld her, sonst fließt Blei durch die Luft - Christian Alvart im Interview zu seinem neuen Film »Banklady« (Start: 27.3.)
"Nach einer wahren Geschichte" verkündet das Plakat…
Wir haben von Anfang an gesagt, diese wahre Geschichte ist in sich so spektakulär oder unspektakulär, wie sie eben ist. Wenn man anfängt, sie zu fiktionalisieren oder andere Elemente hineinzubringen, verrät man sie, dann nimmt sie keiner mehr ernst.
Aber Gisela Werlers zwei "Besuche" im Polizeipräsidium sind fiktiv - für mich waren sie hart an der Grenze.
Das sind sie, sie stehen aber auch für eine Entwicklung bei ihr, dass sie immer mehr riskierte, den Thrill suchte und auch Dinge in die Hand genommen hat. Das ist natürlich schwer zu verbildlichen. Das steht sozusagen exemplarisch für eine Entwicklung, aber nicht buchstäblich.
Am Anfang reden die Figuren wie im Kino…
Das ist eine mögliche Interpretation, sie reden aber auch so, wie sie wirklich gesprochen haben, das ist dokumentiert – wir hatten Einsicht in die Polizeiakten. Einen Satz wie "Geld her, sonst fliegt Blei durch die Luft!" würde ich mich als Autor nicht trauen, jemand in den Mund zu legen.
Wie lief die Recherche? Es gibt ja zwei Fernsehdokumentationen…
Die waren zunächst einmal der Grund, warum Nadeshda Brennicke von der Geschichte gehört hat. Kurz vor dem Ende der Recherche gab es eine Ausstellung über die Banklady im Kriminalmuseum von Schleswig, wo ihr Zimmer und eine Amtsstube der Polizei nachgebaut war und alle Waffen, die verwendet wurden, zu sehen waren – viele Dinge, die damals real konfisziert wurden. Dorthin zu fahren war eine große Zeitreise für mich. Über die Organisatoren bekamen wir dann Einblick in Kriminalakten. Die Polizeiarbeit ist im Film stark fiktionalisiert, weil das ja sehr viele Leute waren – wir haben bestimmte Strömungen aufgegriffen, von denen die eine die Heinz-Hönig-Strömung ist. Die war inspiriert vom Zitat eines Polizeidirektors, der in einem öffentlichen Interview äußerte, er verstehe gar nicht, warum eine Frau Banken überfalle, ihr stände doch der viel einfachere Weg der Prostitution offen. Das war seinerzeit wirklich gang und gäbe. Es gab damals ganz viele, die nach Schema F vorgingen: reinstürmen, Leute festnehmen und hoffen, dass einer redet. Früher haben sie tatsächlich viele Leute so gefasst, weil die untereinander geredet haben, wer was gemacht hat. Das hat aber bei der Banklady nicht zum Erfolg geführt, dafür bedurfte es erst neuer Methoden, für die der junge Kommissar Fischer steht.
Haben Sie Sich bei der liebevollen und detailgenauen Ausstattung vorrangig an Zeitschriftenfotos orientiert?
Die Originalmotive aus der Zeit haben wir überall zusammengesucht, die Zeit hat leider keine große Lobby - etwas aus dieser Zeit zu erhalten, hat bei Denkmalschützern nicht gerade Priorität, so verschwinden diese Zweckbauten aus der Nachkriegszeit allmählich. Wir hatten eine anderthalbjährige Recherche nur nach den Drehorten. Teilweise hatten wir sie am Anfang gefunden, aber als wir schließlich drehen wollten, waren sie oft schon weg. Grundsätzlich war die Herangehensweise auch, Wahrheit zu strukturieren, zu sortieren. Durch Architektur und Kleider konnten wir eine innere Entwicklung aufzeigen. So haben wir zum Ende des Films modernere Architektur ins Bild gebracht. Wenn sich Gisela ihren großen Urlaub gönnt, haben wir diese Verwechslung (die es tatsächlich gegeben hat) auch dorthin gelegt.
Gab es deutsche Spiel- oder Fernsehfilme, die Sie im Hinblick auf das Zeitkolorit inspiriert haben?
Die deutsche Filmgeschichte hat bezüglich der Sechziger ein Riesenloch, es gibt Krieg, Nachkrieg, in letzter Zeit die zwanziger Jahre, dann die RAF – aber über die Zeit davor, in der bereits viel zu finden ist von dem, was dann im nachfolgenden Jahrzehnt explodierte, gibt es sehr wenig Filme. Da war für uns eher die amerikanische Fernsehserie »Mad Men« wichtig, die eine ähnliche Farbe hat – damit konnte ich Verleihern aufzeigen, dass die Zeit sexy sein kann. Denn in den Köpfen ist sie mit einer großen Spießigkeit und Enge verbunden. Ganz wichtig für mich waren zwei Fotobücher, die unsere Ausstatterin gefunden hatte: mit einfacher Straßenfotografie – Leute beim Einkaufen, Kinder beim Spielen. Das war ganz toll, einfach in die Gesichter hineinzusehen.
Sie haben geäußert, dass Sie in den drei Jahren, die Sie Sich mit dem Stoff beschäftigt haben, auch immer wieder neue Details entdeckt haben…
Außer den beiden Fernsehdokumentationen ist eigentlich alles Material zeitgenössisch – es gibt große Dunkelfelder, die wir füllen mussten. Wir haben sie immer gefüllt mit der emotionalen Wahrheit, wie ich sie erfahren habe beim Kennenlernen dieser echten Menschen. Details waren etwa das Verhalten der Bankangestellten oder dass doch noch Leute auftauchten, die dabei waren. Es wird ein Film gemacht und plötzlich tauchen nach dem Stille-Post-Prinzip Menschen auf und erzählen: "die beste Freundin von meiner Oma war damals in der Bank…"
Im Nachspann las ich den Begriff Omcopter…
Das ist eine ferngesteuerte Drohne, die eine Kamera trägt. Damit drehe ich schon ganz lange, bestimmt in meinen letzten sieben Filmen habe ich sie verwendet. Mein Kameramann Ngo The Chau war ganz vorne mit dabei, als die Berliner OM-Studios ihre Drohne entwickelt haben, deswegen war ich da auch sehr früh eingeweiht, was die alles kann. Das ist für mich eine ganz tolle Ergänzung. Sie wird oft verwechselt mit der Möglichkeit, Luftaufnahmen billig zu bekommen – dafür finde ich sie gar nicht so geeignet, weil man nicht die Höhe erreicht, die ein Helikopter macht – aber es ist ein tolles Zwischending zwischen einem Kran und einem Fluggerät. Zum Beispiel beim ersten Überfall, wo wir dem Käfer folgen, wie er einmal um den Block fährt und wir über das Dach gehen und uns um 360 Grad drehen, bevor wir wieder hinter ihm landen – vom Konzept her ist das ein Kranshot, aber ein Kran würde sich immer selber drehen, würde seine eigene Basis abschießen – mit dem Omcopter geht das, ohne dass er im Bild ist.
Banklady wird die Frage nach dem deutschen Genrekino neu beleben. Reicht es aus, festzustellen, diese Figur ist kinotauglich?
Ich weiß nicht, ob das ausreicht. Die Geschichte, so wie sie passiert ist, ist schon bigger than life. Nicht die Tatsache, dass sie die erste Räuberin war und dass sie 19 Banken überfallen hat – sondern das alles zusammen und dass ihre Motivation die Liebe war (was für das Kino natürlich wunderbar ist) und dass sie sogar noch den Mann bekommen hat und dass sie das ganze Leben zusammengeblieben sind. Das sind Fakten, die sind für mich wie ein Kinodrehbuch gewesen. Hätte er jemanden umgebracht, dann hätte man ihnen sofort nicht mehr dieses Happy End gönnen können.
Ihr für Paramount gedrehter Film Fall 39 war sicherlich eine sehr niederschmetternde Erfahrung für Sie, er wurde vom Studio verschiedentlich verändert. Haben Sie Sich danach gesagt "Nie wieder Hollywood!?"
Ich kam aus dem Amateurfilm, wo man macht, was man will, auch wenn man begrenztere Mittel hat - da war ich sehr glücklich. Case 39 war deshalb sehr frustrierend, weil da Studio-Leute Einfluss genommen haben, die einen Monat später gar nicht mehr da waren. Sie haben entscheidende Dinge durchgedrückt, sind dann gefeuert worden, dann begann dasselbe Spiel mit anderen Leuten von neuem. Das war alles sehr unpersönlich, so etwas möchte ich nicht mehr. Es gibt aber auch die Möglichkeit, in Hollywood als Produzent mit an Bord zu gehen, von vornherein ein bisschen mehr Einfluss zu nehmen auf die Entwicklung. Ich will also mehr Kontrolle haben – nicht die volle Kontrolle, die hat man nie. Was die US-Karriere angeht, bekomme ich nach wie vor - zum Glück - sehr viele Angebote. Ich habe aber das Gefühl, nach dem mäßigen Erfolg von Case 39 und Pandorum in Amerika (die Filme waren anderswo durchaus erfolgreich), dass ich nicht mehr viele Schüsse frei habe. Meine Philosophie für das nächste Projekt, das ich zusage, ist: wenn es mein letzter Schuss ist und wenn es sogar floppt, dann sollte es das trotzdem wert gewesen sein. Mit dem Anspruch lese ich gerade Bücher, und da ist noch nichts dabei gewesen, wo ich gesagt habe, das muss ich machen. Insgesamt habe ich drüben noch einen guten Ruf, aber der nächste Film müsste wirklich ein Herzensprojekt sein, wo ich sage: dafür riskiere ich es. Deswegen sage ich momentan noch viel ab.
Das Gespräch führte Frank Arnold
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