Kritik zu Zu Ende ist alles erst am Schluss
Die frisch verwitwete Mutter soll ins Altersheim, dem Sohn fällt der Übergang in die Rente schwer, und der Enkel scheint sein Leben zu verbummeln – Jean-Paul Rouve hat einen der traurig-optimistischen Romane von David Foenkinos verfilmt
»Man muss«, sagt David Foenkinos, »koste es, was es wolle, die Dinge ins Positive drehen.« Der französische Schriftsteller und Drehbuchautor hat dieser Maxime folgend eine Reihe Bestseller geschrieben, die alle weder Rührung noch Romantik fürchten, vor allem aber mit Ernst darauf bestehen, dass die Condition humaine ins komische Fach gehört. David Foenkinos' Abwehrzauber gegen Tod und Trauer bestimmte den Roman »Nathalie küsst«, den er 2011 zusammen mit seinem Bruder Stéphane verfilmte. Audrey Tautou folgt darin den peinlichen Spontaneinfällen ihres Unterbewusstseins und lernt, über den Tod ihres Geliebten hinwegzukommen. Auch Les Souvenirs, Jean-Paul Rouves Adaption des gleichnamigen Foenkinos-Romans, versprüht unter dem schlitzohrigen deutschen Titel Zu Ende ist alles erst am Schluss magisches Gegengift gegen die Depression. Obwohl am Anfang und am Ende Beerdigungen stehen, beschwört die Familiengeschichte mit Eifer und Selbstironie die Fortdauer des Generationenpakts. In diesem Film aus dem Milieu der französischen Mehrheitsgesellschaft sind Krisen nur Episoden auf dem Weg zum wiedergefundenen Glück.
Madeleine (Annie Cordy), die 85-jährige Mutter des Postfilialleiters Michel (Michel Blanc), hat ihren geliebten Mann verloren. Die Familie macht sich Sorgen um die vereinsamte alte Dame und beginnt, das Programm aus Notlügen und Schönrednerei abzuspulen, das mit dem Transfer eines alten Menschen ins Altersheim verbunden ist. Michel, ein gebremst introvertierter Louis de Funès, leidet unter seinem neuen Rentnerleben und verliert sich in all den schamerfüllten Sohnespflichten. Seine Frau, die Exlehrerin Nathalie (Chantal Lauby), hat den Schock fürs Ego längst hinter sich und rebelliert gegen die selbstmitleidigen Gemütszustände ihres Gatten, indem sie äußerst kreativ versucht, ihn eifersüchtig zu machen. Und dann ist da ihr Sohn Romain (Mathieu Spinosi), ein Literaturstudent, der Schriftsteller werden will, die Zeit jedoch zwischen seinem Nachtportiersjob und seinen Einsätzen bei der auseinanderdriftenden Familie aufteilt.
Romain gehört die ganze Sympathie dieser Generationenkomödie, in der die Torheiten der Älteren die Reifung und Gelassenheit des Jüngeren in schönstem Licht erscheinen lassen. Regisseur Jean-Paul Rouve persönlich gibt den Chef, der seinen Angestellten großzügig wie einen Sohn behandelt. Der junge Mann, immer im Eiltempo unterwegs, ist der Einzige, der Zugang zur Gefühlswelt seiner Großmutter hat. Die beiden amüsieren sich über ein scheußliches Gemälde auf dem Flur des Altersheims und kommen auf die Idee, den dilettierenden Künstler ausfindig zu machen und ihm in einer der absurden Nebenepisoden des Films einen Besuch abzustatten. Nicht zuletzt ist es Romain, der die »unwürdige Greisin« an ihrem Fluchtort, der Stadt ihrer Kindheit, aufspürt. An diesem Ort der Erinnerung trifft ihn der Blick einer Frau. Tod und Trennung könnten der Beginn von etwas Neuem sein, verspricht dieses Märchen mit Leichtigkeit.
Kommentare
Traurig und herrlich ...
... weil es schon längst jemand so geschrieben hat, wie ich den Film sehe,
und herrlich, weil ich ihn genau so sehe!
Danke u. a. für den Verweis auf den "gebremst introvertierten Louis de Funès" (herrlich) und vieles mehr!!!
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