Kritik zu Zero Dark Thirty

© Universal Pictures

Fast dokumentarisch, aber mit vielen amerikanischen Mythen unterfüttert, schildert Kathryn Bigelow die zehnjährige Jagd auf Osama bin Laden

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Kathryn Bigelow, die so gut aussieht und in ihrer Filmarbeit so konsequent handelt wie die ideale Howard-Hawks-Frau, ist seit »Blue Steel« und »Gefährliche Brandung« die Lieblingsregisseurin vieler Cinephiler, auch die Lieblingsfeministin vieler männlicher Filmfreaks. Weil sie als Frau in Hollywood wie einst nur Ida Lupino bessere Genrefilme gemacht hat als mancher Mann. Und weil in ihren Filmen der weibliche Blick nicht plakativ oder gar ideologisch ausgestellt wird, sondern in Verschiebungen der Genres deutlich wird.

Große Erwartungen also sind mit ihrem neuen Film verbunden, der kein geringeres Thema hat als die zehnjährige Jagd auf Osama bin Laden. Ein aufregendes, aber auch schwieriges Sujet, das man nach dem Oscarerfolg »Tödliches Kommando – The Hurt Locker« bei Bigelow in besten Händen glaubt. Der Film beginnt großartig und schmerzlich: Die Apokalypse des 11. September wird als schwarze Leinwand gezeigt, man hört nur die Geräusche der Zerstörung, die Hilferufe der Opfer. Das erste Bild zeigt dann die Reaktion auf die Terroranschläge. Es handelt sich um eine Folterszene. Ein CIA-Officer namens Dan malträtiert den gefangenen Neffen Bin Ladens. Ihm zur Seite steht eine maskierte Figur. Ein Henkersknecht, könnte man meinen. Als sich später die vermummte Gestalt die Sturmhaube herunterzieht, wird ein Frauengesicht sichtbar, blass, schön, von langen roten Haaren umgeben. Maya – so heißt rätselhaft die junge CIAAgentin, die von Jessica Chastain verkörpert wird – ist gleichsam hineingeboren in eine Phase des Terrors, des Chaos, der Torturen. Für den Hauch einer Sekunde wird sie noch unschuldig gewesen sein. Sie hat sich nicht freiwillig zu ihrer CIA-Mission gemeldet.

Bigelow und der Drehbuchautor Mark Boal, der bereits »The Hurt Locker« geschrieben hat, stellen die Foltermethoden der CIA schonungslos dar. Bigelows moralischen Standpunkt kann man in Spiegelungen und Splittern erahnen. In den zwischen Entsetzen und Entschlossenheit schwankenden Augen von Maya, in den blutigen Berichten von weiteren Terroranschlägen weltweit. Mit fast klinischer Distanziertheit zeigt Bigelow das hastige, schmutzige Geschäft des Krieges und der Spionage während der Bush-Administration.

Wer ist Jessica Chastains Maya eigentlich, dieser eiskalte Engel, der innerlich zu brennen scheint? Möglicherweise stellt sie mit ihrem irischen Äußeren die Nachfahrin von Ethan Edwards dar, der in John Fords »The Searchers« über Jahre hinweg seiner Nemesis, einem feindlichen Indianerhäuptling, hinterherjagt. Aber während Ethan Edwards seine guten und vor allem bösen Gründe hat für die besessene Jagd, bleiben Mayas Ursachen für die obsessive Suche nach dem Antiübervater Bin Laden im Unklaren. Zwar macht sie der Tod einer liebgewonnenen Kollegin bei einem Terrorangriff ein wenig zu einer Rachegöttin. Aber im Grunde ist sie vor allem eine harte, disziplinierte Arbeiterin, deren Moral auch darin besteht, einen Job zu Ende zu bringen. Als einsamer Profi ohne Vergangenheit zeigt sie es den Männern, ohne ihnen etwas beweisen zu wollen: den Al-Quaida-Machos, aber auch den amerikanischen Kollegen, die sich entweder in Folterexzessen verlieren oder später (während der Obama-Administration) bürokratischen und strategischen Spielen frönen. Als Profi könnte Maya auch eine junge Version der Regisseurin selbst sein.

In drei Teile ist Bigelows Film gegliedert. Der erste, schockierende Teil behandelt vor allem die Folterproblematik, der zweite einen Spionagefall, in dem Maya durch minuziöse Arbeit dem Aufenthaltsort Osama bin Ladens auf die Schliche kommt. Diesen beiden Komplexen folgt ein betont furios gestalteter Showdown. Die Navy SEALs, die als nette, raubeinige Typen doch recht einfach gezeichnet werden, sind dabei nichts anderes als die Kavallerie aus alten Western. Nur dass sie jetzt lautlos zuschlagen, ausgestattet mit allem Hightech, ferngesteuert vom eisernen Willen Mayas, einer amerikanischen Jeanne d’Arc. Mit der gespenstischen Identifizierung des Phantoms Bin Laden ist dann Mayas Job getan. Der Rest ist weniger Erleichterung als Leere und Tristesse. Bigelows Film, dessen Vorarbeiten lange vor Bin Ladens Tod begonnen haben, bleibt trotz des Showdowns ein Film der Suche, der den Zuschauer verstört zurücklässt.

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