Kritik zu Yves Saint Laurent

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Die Filmbiografie, eine Huldigung an den genialen Modeschöpfer, beleuchtet vor allem dessen Liebes- und Arbeitsbeziehung zu seinem langjährigen Partner Pierre Bergé

Bewertung: 4
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3 (Stimmen: 3)

Yves Saint Laurent und Pierre Bergé waren eines jener legendären Pariser Paare à la Jean Cocteau und Jean Marais, Gertrude Stein und Alice Toklas. Bergé war dem 21-jährigen designierten Nachfolger von Christian Dior sofort mit Haut und Haar verfallen. Angesichts ihrer symbiotischen Beziehung ist es nachvollziehbar, dass die Filmchronik nun nur von 1957, kurz vor ihrem ersten Aufeinandertreffen, bis 1976, dem Jahr der Trennung des Liebespaares – das jedoch bis zu Saint Laurents Tod 2008 befreundet blieb – reicht. Dass der Film den Fokus auf das Paar legt, hat aber noch weitreichendere Konsequenzen: Viel zu bald wird der Modeschöpfer auf die eindimensionale Rolle des labilen Künstlers festgenagelt, dessen Schüchternheit es ihm unmöglich macht, dem 1961 gegründeten Modehaus Yves Saint Laurent vorzustehen. Die Regie übernimmt stattdessen Bergé, der kunstsinnige Manager und nimmermüde Kümmerer. Auch der schwärmerische Off-Kommentar geht auf sein Konto. So wird Saint Laurent exklusiv durch die Brille von Bergé porträtiert, der ihn zum narrenfreien Genie und seine Kreationen zu Kunst erklärt – und sich als Pygmalion selbst ein Denkmal setzt.

In dieser narzisstischen Perspektive werden andere Musen, besonders die enorm einflussreiche Loulou de la Falaise, arg stiefmütterlich behandelt. Auch das Handwerk der Haute Couture findet kaum Beachtung, und wer Hinweise auf Saint Laurent als kulturgeschichtlichen Schrittmacher sucht, dessen innovative Mode gesellschaftliche Veränderungen abbildete, ist definitiv im falschen Film.

Die Atmosphäre erinnert stattdessen an eine Reportage in einem Hochglanzmagazin. Mit Dandys, Hippies, Bohème und kleinen Fluchten in Saint Laurents Paradiesgarten in Marrakesch zeichnet Jalil Lespert ein lebhaftes Wimmelbild, ohne die Untiefen auszuloten. Trotz Drogenexzessen und gefährlichen Liebschaften bleibt der Ton diskret, »bon chic, bon genre« wie auch Saint Laurents nur vordergründig revolutionäre Kreationen, deren androgyner Schick und unangestrengte Eleganz stets einen Hauch von leichtlebigem »ancien régime« verströmen. Über Geld spricht man nicht.

Der rote Faden ist Saint Laurents Auf und Ab zwischen kreativer Hochspannung, Ausschweifung und Absturz. Liebevoll wird das Klischee vom neurotischen Genie ausgemalt. Und wenn es stimmt? Immerhin musste der Modeschöpfer jährlich vier Kollektionen bestücken. Pierre Niney, als jüngster je auf der Comédie-Française angenommener Schauspieler selbst ein Wunderkind, gelingt von der sanften Stimme bis zur Gestik eines charmant verhuschten Seminaristen eine perfekte Mimikry. Guillaume Gallienne, auch er von der Comédie-Française, gibt den ergebenen Beschützer, der durchaus zu Eifersucht fähig ist. Ihr erster Flirt ist hinreißend, ihre Chemie spannend genug, um Lücken zu überspielen. Völlig im Dunkeln bleibt aber, dass Bergé nicht nur der Herrscher des YSL-Imperiums war, sondern bis heute, mit 83 Jahren, ein Strippenzieher der Kulturpolitik ist.

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