Kritik zu Work Hard – Play Hard

© Film Kino Text

2011
Original-Titel: 
Work Hard – Play Hard
Filmstart in Deutschland: 
12.04.2012
L: 
90 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm von Carmen Losmann über neue Büroarbeits- und Personalmanagementwelten gehört zu den aktuell wichtigsten gesellschaftspolitischen Filmen

Bewertung: 5
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Die von Behnisch-Architekten geplante neue Unilever-Zentrale Deutschland in der Hamburger Hafencity ist ein luftiger Traum aus Glas und Wandelsteigen: Innovativ und dynamisch, vital und flexibel lauteten die Zauberworte in der Ausschreibung. Kommunikativ auch, um Synergien für das globale Transformationsprogramm »One Unilever« zu schüren. In Zukunft, so heißt es, würden die Mitarbeiter nur noch zu Kommunikationszwecken im Büro erscheinen, 80 Prozent der Innovationen werden sowieso jetzt schon informell am Kaffeeautomaten geboren. Da müssen auch die Büros anders aussehen: Nonterritoriale Arbeitsplätze oder Hotelling nennt sich das Konzept, das die alte Bürogemütlichkeit mit Gummibaum und Maskottchengehege auf dem Schreibtisch gegen ein System frei fluktuierender Arbeitsplätze eintauscht, in dem die Angestellten nach Bedarf sieben unterschiedliche Typen buchen können: vom »einfachen Touch-down zum Mailabladen bis zum ungestörten Telefonieren im enclosed Office«, wie ein Mitarbeiter der Unternehmensberatung Accenture erklärt. Und damit sich die Angestellten im freien Großraum nicht allzu verloren fühlen, wird ihnen ein programmiert künstlich-heimeliges Habitat vorgegeben, mit Coffee-points und sogenannten Net’n-Nest- Etagen, die schicke Edelsesselgarnituren und Couchtische bieten, echte Rückzugsmöglichkeiten aber garantiert nicht.

Und so sieht auch das schmucke Unilever- Haus schon auf den dritten Blick eher wie eine gläserne Voliere mit knasttypischer Panoptikumsarchitektur aus. Die Ambivalenz hat System: Auch die innovativen Arbeitskonzepte sollen auf keinen Fall nach Arbeit aussehen, mag auch in Wirklichkeit jede Menge Mehrarbeit drinstecken. Die Befragungsrituale im Assessment-Center einer Beraterfirma tarnen sich nicht nur als Feedback zur weiteren Entwicklung der Mitarbeiter, sie sind es auch wirklich in den Augen derer, die sich hier zum Besten der Firma und ihrer eigenen zukünftigen Selbstvermarktung evaluieren lassen. Und auch die Software zum Human-Capital- Management von SAP mit tollen Tabellen, in denen man Daten zu Potenzial, Talenten und Leistungseinschätzungen der Mitarbeiter verwalten kann, soll den Ausgewerteten selbst als potenzielle »Talentschmiede « verkauft werden. Einen guten Rat zum Umgang mit Datenschutz gibt es vom SAPVertreter gratis dazu: Die Diskussionen mit Betriebsrat und Angestellten solle man auf jeden Fall »proaktiv« führen: »Transparenz hilft immer viel an der Stelle.«

2004 war Humankapital das – umstrittene – Unwort des Jahres. Jetzt kommt zur Antiprämie noch ein böser Film dazu. Ein gelungener auch: Carmen Losmann legt ihren Zug durch die Untiefen aktueller Personalmanagementsstrategien und Beraterwelten als inhaltlich und formal (mit unterschiedlichen inszenatorischen Techniken von deren Selbstdarstellungen über visuelle Streifzüge bis zur klug eingesetzten Re-Inszenierung) gründlich durchdachte und konzipierte Reise an. Dabei führt sie vom schönen Schein entspannt entmaterialisierter Arbeitswelten über die penetrante Dauerrede von Innovation und »Change« bis zur Umsetzung im Lean-Management der Deutschen Post, wo die Visionen von der dynamischen Kultur kontinuierlicher Verbesserung auf den Punkt gebracht werden. Zuerst diskursiv: »Veränderungen kriegst du nur durch, wenn eine Krisensituation entsteht, du brauchst eine burning platform «, heißt es von einer Change-Agentin ganz im Sinn von Naomi Kleins Schockstrategie.

Dann auch praktisch, bei einer Morgenbesprechung der Deutschen Post, wo die Angestellten zur gemeinschaftsstiftenden Teambildung vor die Wandtafel zitiert werden: Doch von der renitenten Truppe kommt auf die Frage nach Verbesserungsideen nur eine einzige Antwort: Man könnte doch mehr Mitarbeiter einstellen. Ein dokumentarischer – hier zugegebenermaßen agitatorisch eingesetzter – Glücksmoment für Filmemacherin und Publikum. Die pointierte Replik ist das einzig direkt geäußerte Widerwort in Losmanns klug montiertem, dicht argumentierendem und in präzise kadrierte Bilder gesetztem Film, der sich darauf verlässt, dass die Zuschauer im Newspeak-Dschungel von »unterstützendem Führen«, »Change-Kultur« und »Megawachstumsqualität « ihre eigenen Weg finden. Nur manchmal vielleicht schießt das horroraffine Sounddesign ein wenig über das Ziel hinaus. Man freut sich über Geduld und Hartnäckigkeit der Filmemacherin. Und darf gespannt sein, was die junge Absolventin der Kölner Hochschule für Kunst und Medien als nächstes ausheckt.

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