Kritik zu Was dein Herz dir sagt – Adieu ihr Idioten!
Albert Dupontels burleske Tragödie ist eine einfallsreiche Hommage an Terry Gilliams »Brazil« und wurde 2021 mit sieben Césars ausgezeichnet
Mit der Friseurin Suze und dem Computerexperten JB begegnen sich zwei einsame Menschen, die plötzlich aus dem Hamsterrad des Lebens gefallen sind: Suze erfährt, dass aufgrund der jahrelangen Verwendung von Haarspray ihre Lunge unheilbar geschädigt ist. JB wird von seinem Behördenchef von dem Projekt, in das er sich jahrelang hineingekniet hat, abgezogen, um durch Jüngere ersetzt zu werden. Suze geht nun auf die Suche nach ihrem Kind, das sie mit 15 gebar und zur anonymen Adoption freigeben musste. JB versucht, sich umzubringen, was spektakulär misslingt. Suze rettet den IT-Nerd aus den Trümmern seines Büros und erpresst ihn dazu, ihr zu helfen. Der blinde Archivar Serge schließt sich ihnen spontan an. Gejagt von der Polizei, schlägt das Trio verwegene Haken, um Suzes mittlerweile erwachsenen Sohn aufzuspüren.
Die Freuden der Vogelfreiheit kann im französischen Kino derzeit keiner so einfalls-reich demonstrieren wie Albert Dupontel, dessen Film 2021 sieben Césars einsammelte. Als Regisseur, Drehbuchautor und männlicher Hauptdarsteller bewegt er sich auch hier im Biotop jener französisch-belgischen Autorenfilmer, die mit ihren Offbeat-Komödien Chaplin, Tati und Kaurismäki beerben. Als Schauspieler bekannt wurde er durch die Anarchokomödie »Der Tag wird kommen« des Filmemacherduos Delépine/Kervern, in der er sich vom verzweifelten Kleinbürger zum Punk wandelt, und als melancholischer Kopfgeldjäger in Bouli Lanners' metaphysischem Roadmovie »Das Ende ist erst der Anfang«. Dupontel erweist sich in seiner achten Regiearbeit, die er dem verstorbenen Terry Jones widmete, außerdem als Fan der Monty Pythons. Das Vorbild für JB, den schüchternen Büroknecht und unfreiwilligen Rebellen gegen »die Ordner der Welt« (so Dupontel in einem Interview), ist der Held der dystopischen Komödie »Brazil«, was durch Namen wie Monsieur Tuttle und durch ein Cameo von Freund Terry Gilliam als Internetwaffenhändler unterstrichen wird.
Und natürlich ist im 21. Jahrhundert Gilliams Alptraum eines bürokratischen Totalitarismus aktueller denn je. Dupontel, ein antiintellektueller Intellektueller, lässt seine Helden die gesichtslose Repression auf indirekte Weise sabotieren, etwa wenn sie an kafkaesken Unorten in groteske Situationen stolpern und auf gleichgültige Behördenangestellte, »die sich hinter der digitalen Welt verstecken«, mit unkontrollierbaren Gefühlsausbrüchen reagieren. Ohne es zu wollen, sind die drei im Sinne von Günter Eich Sand statt Öl im Getriebe der Welt, ihr Parcours ist gesäumt von grobem Slapstick. Der Humor ist burlesk statt ironisch, ständig geht etwas kaputt. Virginie Efira als Suze ist, eigentlich, viel zu blond und aufgeräumt für diese Fabel über verknautsche Außenseiter. Gipfel der Provokation ist aber die unverhohlen kitschige Schlussszene. Denn auch mit seinem romantischen Überschwang ist Dupontel entschieden »anti«.
Sein inszenatorischer Drive verleiht dem Konfrontationskurs des Trios eine rohe Energie, die in Bann zieht und in der die treffsicheren Momente die lahmen aufwiegen. Wenn Bouli Lanners als Arzt Suze die Hiobsbotschaft in plappernden Leerformeln überbringt, bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Großartig parodistisch das Dozieren eines Psychologen, der JB's Selbstmordversuch ein freudianisches »Framing« verpasst, um ihn als Terroristen zum Abschuss freizugeben. Und stets ist es der menschliche Faktor, seine Unzuverlässigkeit, sein Erfindergeist, mit dem das System unterminiert wird. »Keiner macht ein Update«, klagt etwa JB bei seinem digitalen Datenschürfen, während Tagebücher, Briefe, Gespräche greifbare Information über den Verbleib von Suzes Sohn liefern.
Am Ende wird der brave Informatiker zum »deus ex machina« und hackt das System, um ein individuelles Glück zu fördern. Dupontels burleske Tragödie ist ein geradezu verzweifeltes Plädoyer für Poesie, Liebe und menschliche Zugehörigkeit als Rettung vor den Maschinen.
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