Kritik zu Von Glücklichen Schafen
Im neuen Film des Kölner Regisseurs Kadir Sözen (Winterblume, Gott ist tot) muss ein Sohn mit einer schweren Enttäuschung über seine Mutter fertig werden
»Der stinkt.« So lautet das knappe Urteil des 16-jährigen Can über den Großvater, als der sich nach sehr langer Zeit erstmals wieder bei einer Familienfeier blicken lässt. Auch sonst ist die innerfamiliäre Begeisterung trotz ausgetauschter Höflichkeiten nicht groß. Und die gestörte Kommunikation zwischen dem verrenteten türkischen Arbeitsimmigranten und seiner Tochter deutet auf Zerwürfnis in der familiären Vergangenheit hin. Und bald wird ausgerechnet Can mit seiner kleinen Schwester beim Opa vor der Tür stehen und sein komfortabel ausgestattetes Kölner Mittelstandskinderleben gegen Kost und Logis im kargen Ein-Mann-Rentnerhaushalt tauschen.
Der Grund: Can wurde durch einen peinlichen Zufall damit konfrontiert, dass seine bewundernswert schöne und coole Mutter nicht wie behauptet im Krankenhaus sondern im Bordell den Lebensunterhalt für die Familie verdient. Nur mit regulärer Arbeit ließen sich schicke Wohnung und Konsumwünsche des Nachwuchses für die ungelernte Alleinerziehende kaum erfüllen: Zusammenhänge, für die ein 16-Jähriger nicht wirklich einsichtsfähig ist, zumal auch unter Cans troubadoresk-langhaarigem Auftreten recht traditionelle Ehrkonzepte walten. So macht der Schock aus einem etwas verzogenen, Gitarre spielenden jungen Mann ein gefährlich verstörtes Nervenbündel, das neben dem Kontakt zur Mutter auch alle anderen bisherigen Aktivitäten und Freundschaften einfriert. Doch irgendwann gelingt es dem Großvater, den Kontakt zur Mutter wiederherzustellen, die sich dazu durchgerungen hat, noch einmal neu anzufangen und einen Putzjob ausgerechnet in einer Kirche findet.
Kadir Sözen erzählt von einer längst mitten in der deutschen Gesellschaft angekommenen Einwandererfamilie, deren heile Welt von verdrängten Lebenslügen und patriarchal motivierten Gewalttaten zerstört wird. Gelungen dabei die differenzierte Beschreibung der alltäglichen Beziehungen zwischen den drei Generationen: Dem verwitweten Arbeitsmigranten, der nach einem arbeitsvollen Leben auch sprachlich immer noch nicht in der neuen Heimat angekommen ist. Die patente junge Mutter, die alles tut, um ihren Kindern ein wohlausgestattetes behütetes Leben zu bieten. Und die Kinder selbst, die dieses Angebot als selbstverständlich annehmen, ohne den Preis zu ahnen.
Die titelgebenden Schafe stammen aus einer von der Mutter abends an Tochter Sevgis Bett erzählten, metaphorisch überlasteten Geschichte. Auch der Plot des Films gerät – mit Benno Fürmann als aasigem Zuhälter und einem klischeehaften Missverständnis als Movens – zusehends in die Niederungen der Kolportage. Da passt es, dass die »sündige« Heldin am Schluss in einem weder handlungslogisch noch anders überzeugenden Ende der gut gemeinten Botschaft geopfert wird. Mit solchem Frauenopfer kann sich Sözen in eine lange und durchaus namhafte Erzähltradition um die gefallene Frau als Mittel sozialer Anklage einreihen. Ich zumindest hatte gehofft, diese Zeiten wären endgültig vorbei.
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