Kritik zu Venus im Pelz

© Prokino Filmverleih

2013
Original-Titel: 
La Vénus à la fourrure
Filmstart in Deutschland: 
21.11.2013
L: 
96 Min
FSK: 
16

Die Hauptrollen in Roman Polanskis Adaption der Novelle von Leopold Sacher-Masoch spielen seine Ehefrau Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric, der wie der junge Polanski aussieht. So entsteht ein reizvolles Vexierspiel. Selten so gelacht!

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.2
3.2 (Stimmen: 5)
Wie erotisch Konversation doch sein kann! In unserer durchsexualisierten Zeit, die alles offenlegt, ist die Kunst der Verführung durch Worte ja leider etwas in Vergessenheit geraten. Roman Polanskis »Venus im Pelz«, die Filmadaption des Broadway­erfolgs von David Ives, der Leopold von Sacher-Masochs berühmt-berüchtigten Klassiker in unsere Moderne verlegt, betreibt genau das: ein Liebes- und Machtspiel mit Worten.
 
Um Dominanz und Unterwerfung, Sex und Macht geht es in diesem vergnüglichen Film, den der 79-jährige Polanski mit seiner Ehefrau Emmanuelle Seigner und Mathieu Amalric in den Hauptrollen besetzt hat. Und weil Amalric verblüffend dem jüngeren Polans­ki ähnelt, ist ein amüsantes, selbstironisches Vexierspiel daraus geworden, auch wenn Polanski im Interview jeden autobiografischen Bezug und sogar die Ähnlichkeit Amalrics kokett ableugnet.
 
 
Mit viel künstlichem, hochironisch-dramatischem Theaterdonner, der hier natürlich ein Filmdonner ist, wird die Begegnung der Geschlechter eingeleitet. Die Kamera fährt eine baumbestandene Allee hindurch auf ein Theater zu, in dem der Pariser Regisseur Thomas (Mathieu Amalric) einen erschöpfenden Casting-Tag hinter sich gebracht hat. Keine der Bewerberinnen scheint ihm gut genug für sein Stück, bis völlig verspätet Vanda (Emmanuelle Seigner) auftaucht, eine naive, ungebildete, krawallige Schlampe, die vor nichts zurückzuschrecken scheint, um die Rolle zu bekommen. 
 
Thomas findet sie furchtbar, lässt sich aber zu einem Vorsprechen überreden, bei dem er den männlichen Part übernimmt. Und kaum auf der Bühne, ist Vanda wie verwandelt: Nicht nur, dass sie das Stück gut kennt, ja, förmlich durchdrungen hat, sie hat auch ein exquisites Kostüm, einen Morgenrock für Thomas aus der Zeit Sacher-Masochs, mitgebracht. Und sie spielt wie eine Göttin!
 
Mit Vanda improvisiert und probt Thomas nun seine Adaption von Sacher-Masochs Skandalnovelle. Dabei bringt Polanski im Film die Realitätsebenen lustvoll durcheinander. Alles ist ein Spiel im Spiel im Spiel . . . Das Rätsel um Vanda löst sich nicht, auch der Zuschauer bekommt nie den festen Boden eines Realitätsbezuges unter die Füße. So könnte man Vanda als kämpferische Emanze sehen, die sich an Thomas rächen will, und Polanskis »Venus im Pelz« als Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen – diese wäre dann aber arg oberflächlich. Eher wird hier ein dionysisches Fest inszeniert, bei dem eine Sexgöttin einem sterblich-verführbaren Mann das Fürchten vor der Macht des Eros lehrt. Dass dabei auch das Regietheater lächerlich gemacht wird, dürfte ein Polanski durchaus genehmer Neben­effekt sein. Der Regisseur erlaubt sich sogar den Witz, Thomas' Adaption der Venus als ein Stück über Kindesmissbrauch anzusehen, wo sich doch Polanski bekanntlich selbst mit der Anklage konfrontiert sieht, eine Minderjährige missbraucht zu haben.
 
 
Mit Amalric und Seigner stehen zwei hervorragende und einander ebenbürtige Darsteller auf der Bühne, die in köstlichen Dialogen nicht nur die Magie des Eros und der Worte heraufbeschwören, sondern vor allem auch den Zauber von Film und Theater. Für Polanskis selbstironischen, auch parodistischen Ansatz (der Hingabe aber natürlich nicht ausschließt) spricht, dass er schon mal eine unsichtbare Kaffeetasse, die Thomas im Spiel in der Hand hält, im Filmton tatsächlich klappern lässt.
 
Überhaupt gibt es viele saukomische Details. So hat der prätentiöse, dabei ängstliche Thomas ausgerechnet Wagners Walkürenritt als Klingelton auf seinem Handy. Der Schlachtruf ertönt immer dann, wenn Thomas' Verlobte anruft, die Thomas, feige, wie er ist, immer mehr anschwindelt und vertröstet, während er in den erotischen Bann von Vanda gerät. Zur Bühnenausstattung gehört auch eine Couch, die ganz genauso aussieht wie die von Sigmund Freud, auf der Thomas von Vanda denn auch nach Strich und Faden analysiert wird. Dieselbe Couch verwandelt sich dann in einen Diwan, als Vanda als personifizierte Liebes- und Sexgöttin Venus auf ihr ruht.
 
Nach »Der Gott des Gemetzels« ist dies nun eine weitere Adaption eines Bühnenstücks durch Polanski, eine, die nicht ganz so schwarzhumorig ist wie »Der Gott des Gemetzels«, am Ende aber dennoch Angst macht. Hatte man sich gerade auf die Komik des Geschlechterkampfs eingeschwungen und den Pas de deux von Vanda und Thomas genossen, so erfährt das Ganze am Ende eine gefährliche, Thomas' Existenz gefährdende Wendung. Die antike Wucht dieser Schlusspointe ist auch nur passend: Ungestraft begibt sich schließlich niemand in Venus' Hände.

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