Kritik zu Urmila – für die Freiheit
Susan Gluth erzählt in ihrem Dokumentarfilm von der Emanzipation einer ehemaligen nepalesischen Haushaltssklavin und ihrem mutigen politischen Engagement
Die Landschaft im flachen südwestlichen Teil von Nepal ist grün und wunderschön, Blumen und Saris setzen harmonische Farbtupfer. Und weckt nicht das klangvolle Wort Kamalari selbst schon positive Assoziationen? Doch der Anschein täuscht. Denn der Begriff bezeichnet eine Art Leibeigenschaft bei den Tharu, einem Volk in Nepal, wo weibliche Kinder zur Dienstarbeit an andere Haushalte ausgeliehen werden, um so zum Unterhalt ihrer Herkunftsfamilien beizutragen: eine Art Leibeigenschaft auf Zeit, nur selten dürfen die Mädchen während ihrer Arbeit zur Schule gehen, oft werden sie zusätzlich missbraucht.
Auch Urmila wurde einst als Kamalari gedemütigt und gequält, bis sie mit achtzehn Jahren freikam und sich mit anderen ehemaligen Haussklavinnen in einer Selbsthilfegruppe zusammenschloss. »Freed Kamalari Development Forum« bietet entflohenen Mädchen Zuflucht in einem selbst organisierten Wohnheim und geht mit Prostestaktionen auf die Straße und in die Politik. Doch die jungen Frauen besuchen auch öffentliche Orte wie den Busbahnhof, um dort kleine Mädchen auf dem Weg in neue Dienstfamilien ganz direkt zu befreien.
Urmila Chaudhary ist die Heldin dieses Films, der sie und einige ihrer Freundinnen und Freunde über eine kurze markante Strecke in ihrem Alltag begleitet. Dabei muss sie wie andere Kamalari auch parallel zu den sozialen Kämpfen erst einmal mühsam ihre Schulausbildung nachholen, denn sie will später einmal als Anwältin professionell für die Mädchenrechte kämpfen. Dabei zeigt die junge Frau neben Willen und Ambitionen auch zweifelnde, schwache Momente.
Eine lustige, vielen Klischees vom ungelenken, aber gutmeinenden Besserwisser entsprechende Nebenrolle spielt dabei ein durchaus sympathischer deutscher Helfer und Gartenbauer. Und auch sonst wird die internationale Unterstützung der Mädchenrechtlerinnen so neutral wie kritisch hellsichtig thematisiert, wenn die höchst fotogene junge Frau bei ihren Reisen zu internationalen Menschenrechtskonferenzen in traditionellen Kostümen aufgeputzt als exotisches Modell lächelnd für die Kamera posieren soll und von älteren Herren gönnerhaft für ihre Aktivitäten belobigt wird.
Dabei verzichtet der Film von Susan Gluth auf künstliche Dramatisierung und spart bewusst auch die Darstellung der Sklavenarbeit selbst aus, die nur im Rahmen eines von den Ex-Kamalaris gespielten Aufklärungstheaterstücks einfließt. Das gibt ein emphatisches, aber auch selbstbewusst fragmentarisches Porträt, das – sehr gelungen – weniger auf die Vermittlung von Informationen als auf Überzeugung durch Atmosphäre setzt. Schade dennoch, dass die historischen Hintergründe der nepalesischen Sklaverei im Film gar nicht erwähnt werden. Denn so entsteht der falsche Eindruck, es handele sich bei dem erst vor zwei Generationen unter ökonomischem Druck eingeführten Usus um eine uralte kulturelle Tradition. Und auch wenn der Film mit einer Erfolgsbilanz der nepalesischen NGO endet, sollte man wissen, dass vor allem in Asien solche Abhängigkeitsverhältnisse weiter verbreitet sind, als oft bekannt.
Kommentare
Kritik zu Urmila für die Freiheit
Zu dem besserwissenden Gartenbauer aus Deutschland, wenn es sich auch im Kontext recht lustig liest und nicht negativ gemeint sein kann, möchte ich mich dennoch auch im Sinne allgemeiner Aufklärung äußern:
Ich bin weder der Helfer noch der lustige Gartenbauer, wie ich auch gesehen wurde.
Schlicht und ergreifend bin ich ihr Chef. Frau Urmila Chaudhary ist seit April 2010 Angestellte in meiner Firma. Sie ist seit dieser Zeit offiziell in Deutschland gemeldet und für die Zeit von 2013 bis 2016 hatten wir ihren allgemeinen Arbeitsvertrag in einen Ausbildungsvertrag gewandelt, der sie zu dem gemacht hat, was sie nun hoffentlich ist. Eine College Absolventin, mit der Aussicht, an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Tribhuvan Universität studieren zu können.
Der Anlass meines Besuches war rein geschäftlicher Natur, denn der Ausbildungsvertrag begann im Juli 2013 und mein Besuch fand im Dezember 2013 statt. Dies wurde dann von Susan Gluth in Teilen gefilmt. Wegen unablässiger Störungen durch Hilfsorganisationen und andere „wichtige“ Werbemaßnahmen solcher Institutionen, geriet ihr mit uns vereinbartes Ausbildungsziel in Gefahr. Die Konsequenzen habe ich ihr aufgezeigt und mir das allgemeine Umfeld auch von ihren Lehrern, die zur gleichen Einschätzung kamen wie ich, erläutern lassen.
Bleibt noch die Frage zu beantworten, warum jemand das tut? Vielleicht mag es daran liegen, dass auch Verantwortliche von Firmen aus dem turbokapitalistischen Umfeld der westlichen Automobilzulieferindustrie, Gerechtigkeitssinn und soziale Kompetenzen besitzen.
Dipl.-Ing. (FH) Andreas Riechelmann
Geschäftsführung
ARI-Automotives Ingenieurgesellschaft mbH
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns