Kritik zu Union fürs Leben
Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech wollen den Berliner Kultverein 1. FC Union und seine Anhänger porträtieren, geraten aber zwischen Sportreportage und Protagonistenbeobachtung etwas aus dem Konzept
Richtig ärgerlich wird der Dokumentarfilm Union fürs Leben an einem der emotional dichtesten Momente: Saison 2012/2013, 4. Spieltag, Union empfängt im Stadion an der Alten Försterei den Stadtrivalen Hertha BSC und verliert 1:2. Frank Marten Pfeiffer und Rouven Rech beobachten die Torfolge an jedem ihrer drei Protagonisten im Publikum, und dabei besonders den Augenblick, in dem auf dem Feld Christopher Quiring – im Übrigen der vierte Protagonist, dem der Film folgt – den zwischenzeitlichen Ausgleich schießt: Dafür zitiert der Film sogar kurz den Radioreporter.
Die große Frage lautet nur: Wozu? Was sieht man, wenn man die drei Gesichter beim Bangen, Freuen, Ärgern sieht? Und wofür braucht man einen Film, wenn der sich hinter Fan-Selfies versteckt, wie sie auf den privatstolzen Kanälen von Youtube ihren Platz haben? Zu diesem Zeitpunkt wirkt Union fürs Leben wie billiges Standortkalkül von RBB und Medienboard Berlin-Brandenburg, wo egal ist, was rauskommt, wenn man nur was mit dem »Kultverein« Union macht und ab und an »große Gefühle« verschafft.
Es sind aber die Gefühle der Sportreportage. Der Film selbst, so hart es ist, das zu sagen bei einem grundsympathischen Projekt, findet keinen Rhythmus für sein Material, und er hat keinen Anhaltspunkt für seine Erzählung. Der, zugegeben, nicht so leicht zu finden ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Oder wie handelt man von Identitätsstiftung, vom Familiären, von der »Gefühlsverbundenheit«, wie der Berliner Sozialsenator und Union-Fan Mario Czaja die herausragende Qualität des Vereins nennt?
Pfeiffer und Rech stellen ihre heterogen gewählten Protagonisten in Einzelporträts vor. Das wären neben den »Promis« Czaja und Quiring, die beide geringere Einsatzzeiten haben, der Schauspieler Chris Lopata und der Sozialarbeiter Stefan Schützler, wobei mal mehr (Schützler), mal weniger interessante Auskünfte (Lopata) herauskommen. Während Lopata den Fanboy macht, folgt Union fürs Leben Schützler und dem von ihm betreuten 20-jährigen Alexander in das Labyrinth von Armut und Verzweiflung der deutschen Sozialleistungsgesellschaft. In beiden Fällen fragt man sich aber, was das über den Fußballverein aussagt und vor allem, was daran spezifisch sein soll.
Die Geschichte des 1. FC Union Berlin stenografiert der Film pflichtbewusst-lustlos in ein paar Stichworten und zu je passender Musik durch: Zu Footage aus Ernst Cantzlers Union-Dokumentarfilm Und freitags in die Grüne Hölle von 1989 suggerieren vergröberte, in Schreibmaschinentypen gehaltene Zitate aus Stasi-Akten, dass der ganze Club als operativer Vorgang beobachtet worden sei. Unterschlagen wird, was man auch in Cantzlers Film erfahren kann, nämlich dass auch der staatsalternative Hippieclub in den 80er Jahren nicht unberührt war von der gewalttätigen Dissidenz des Neonazismus.
Mit einem ans Buchhalterische grenzenden Fleiß fotografiert der Film zwischendurch die zahllosen Zeichen von Union-Anhängerschaft im Berliner Stadtraum, und beschwört damit immer nur das Image, von dem er profitieren will.
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