Kritik zu Tenor – Eine Stimme, zwei Welten
Der französische Rapper MB14 verkörpert in diesem Feelgood-Drama einen Rapper aus der Pariser Banlieue, der heimlich Operngesang studiert
Antoine teilt seine Zeit zwischen Buchhaltungskurs, Rap-Battles und Sushi-Lieferung. Bei einer dieser Touren kommt er in die Opéra Garnier und begegnet Gesangslehrerin Marie, die in ihm ein Talent entdeckt. Heimlich besucht Antoine ihren Workshop, wohl wissend, dass weder sein Bruder, ein Boxer, noch seine Kumpel seine neue Leidenschaft billigen würden. Migrantische Banlieue trifft auf Pariser Hochkultur: Der Culture Clash ist im französischen Kino zigmal durchdekliniert worden, getrieben von der Vorstellung, dass die Liebe zu den schönen Künsten die Integration fördert. Auch Claude Zidi Jr., Sohn des großen Komödienregisseurs, bedient sich mal wohlmeinender, mal fragwürdiger Klischees. Er kann aber auch auf reale Ereignisse zurückgreifen, darunter jene epochemachende britische Castingshow, in der ein pummeliger Unbekannter »Nessun dorma« schmetterte. Die zur Erkennungsmelodie gewordene Arie bringt auch hier den Durchbruch. Und Hauptdarsteller MB14 alias Mohamed Belkhir selbst hat sich 2016 in einer Castingshow als herausragender Sänger entpuppt.
Da war er jedoch bereits als Rapper, der als Einmannorchester seine Stimme mit elektronischen Loops zu zündenden Rhythmen formte, bekannt. Einerseits ist es seinem unangestrengten Charme zu verdanken, dass Antoines widersprüchliche Gefühle, die Gefahr, zwischen Herkunftsgesellschaft und hochnäsiger Großbourgeoisie zerrissen zu werden, glaubhaft 'rüberkommen. Und wo die von »Deadlines« getaktete Handlung merkbar mit heißer Nadel gestrickt ist, verleiht Zidi Antoines Parcours mit gekonntem Timing mitreißende Emotion und feiert wie nebenbei den Kulturtempel Opéra Garnier. Selbst wenn Antoines Karriere eine romantische Oberschichtsfantasie ist – in der Realität wäre der Underdog als Buchhalter besser dran denn als Opernsänger, der anders als die Konkurrenten nicht durch elterliches Vermögen abgesichert ist –, so ist diese Aufsteigergeschichte doch viel unterhaltsamer als erwartet.
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