Kritik zu Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith
George Lucas schließt seine Science-Fiction-Serie ab
Im neuen und letzten Star Wars-Film erfahren wir, wieso Darth Vader immer so schwer atmet, auf welchen Wegen aus Obi-Wan der Exilant Ben Kenobi wurde, wie es mit Luke und Leia anfing und wie es kam, dass das Imperium über die Jedi triumphierte. Die Frage ist nur: Wollen wir das überhaupt noch wissen?
Nach dem Ende von Star Wars III, dem letzten Film der größten Saga der Kino- und Popcorngeschichte, ist man ein bisschen traurig. Nicht, weil da etwas zu Ende geht, das einen 30 Jahre irgendwie begleitet hat. Sondern weil im Zentrum unserer Bilder- und Erzählmaschine eine so öde, mechanische und menschenfeindliche Ansammlung von Mythen-Müll steckt.
Aber der Reihe nach: 1976 begann George Lucas, gegen den Widerstand der "alten" Mächte in Hollywood, mit seiner Science Fiction-Märchen-Western-Swashbuckler-Fantasy- Kriegsfilm-Geschichte, und wie es die Legende will, erfand er damals, in der vermutlich größten Krise des Mediums, das Kino neu. Auch bei uns tauchte ja Star Wars zwischen Schulmädchenreports und Zombies unter Kannibalen auf, und was immer man von der krausen Mischung aus infantilen, visionären und militaristischen Elementen halten mochte - der Film war ein Neuanfang.
Eine Generation lernte mit Star Wars das Kino kennen; der Film verlangte förmlich danach, das Kino technisch und kulturell wieder als Institution ernst zu nehmen, es war wieder "Ereignis", jenseits des visuellen Erbrechens in den Schachtelkinos. Weil George Lucas clever genug war, sich die Merchandising-Rechte an seinen Figuren zu sichern, wurde er reich, investierte sein Geld mit seiner Firma Industrial Light & Magic in ein kleines Imperium. ILM hat die Erzählweise des Kinos vermutlich noch mehr verändert als es Lucas mit seinen Inszenierungen getan hat.
Die Frage aber ist nicht nur, was Lucas mit Star Wars gerettet hat, man darf auch fragen, was nebenbei kaputt ging. Der Beginn des Blockbuster-Kinos für alle und Jedi bedeutete auch das Ende der Hoffnungen von New Hollywood auf ein genaueres und menschlicheres Kino. Lucas hat das bestimmt nicht gewollt, aber Leute wie Brian de Palma waren sicher nicht zu Unrecht sauer auf Lucas' galaktische Spielzeugkiste: "May the fart be with you!" (de Palma). Anyhow. Aus Star Wars wurde eine gigantische Erzählmaschine; nach der ersten Trilogie ging es weiter in Trickfilmen, Romanen, Comics und Computerspielen. Erst 16 Jahre später nahm Lucas selber, dem seine Schöpfung mittlerweile zu entgleiten drohte, den Faden wieder auf und inszenierte selbst die drei Filme einer Prequel-Trilogie, deren letzter Teil Abschluss und Überleitung zum ersten Film ist.
Vielleicht kann man sagen, dass Die Rache der Sith, in dem "erzählt" wird, wie aus dem Jedi Anakin Skywalker Darth Vader wird und das Imperium die Macht übernimmt, der beste Film der Prequel-Trilogie ist. Bei der Qualität der beiden Vorläufer will das aber nicht allzu viel heißen: Selbst im Fandom haben die neuen Star Wars-Filme nie wirklich Begeisterung ausgelöst. Höchstens die Stars und die Computereffekte können beeindrucken; der Vermarktungsmaschine des Lucas-Imperiums kann sowieso niemand entgehen.
Es ist etwas Schreckliches um eine Geschichte, die durch nichts angetrieben wird als durch die Notwendigkeit, zu Ende erzählt zu werden. Die befreiende Fabulierlust, die Naivität - Kapitalismus, Technologie und Wunderglaube waren nie ein Widerspruch in der amerikanischen Erzählung - wichen einer ikonographischen und mythischen garbage collection. Nebenbei ist Star Wars nicht nur eine Pop-Variation der Ödipus- und Hamlet-Mythen, sondern auch eine Schule des (falschen) Sehens: Mit der ersten Raumschlacht des ersten Filmes waren ein neues Bewegungsgefühl geboren, eine Ego-Shooter-Grammatik und das Mittendrin in Mehrfach-Bewegungen.
In Die Rache der Sith, der mit einer solchen Raumschlacht und Leistungsschau digitaler Effekte beginnt, ist die Gleichzeitigkeit von Unübersichtlichkeit und Kontrolle ins Absurde gesteigert. Alles stürzt, gleitet, fliegt; keine Dialog-Szene ohne Durchblick auf einen total überfüllten Himmel. Aber je mehr Maschinen und Scheinarchitekturen das Bild füllen, desto mehr mag einem auch auffallen, was fehlt: In diesem Film gibt es keine Menschen (oder Wookies, Ewoks und so fort); es gibt nur ein großes, pathetisch zelebriertes Comic-Shakespeare-Drama um die kosmische Ausdehnung eines so neurotischen wie amerikanischen Familienromans, und es gibt Krieg. Das Gefasel von "Republik", "Imperium" und "Macht" hat Deklamatoren, aber kein Subjekt, und die Darstellung von Demokratie hat sich Lucas ohnehin nie anders vorstellen können denn wie von Leni Riefenstahl inszeniert. Eine "Oper" sieht bei Lucas aus wie die größte Blubberblase der Welt, und ein "Parlament" ist eine Ansammlung von Balkontellern, von denen, wäre denn überhaupt jemand anwesend, nur auf den großen Auftritt des Führers auf dem fliegenden Teller in der Mitte zu starren wäre. Muss man erwähnen, dass alle diese Dinge vollkommen ironiefrei daherkommen?
Im Star Wars-Weltraum gibt es keine Einsamkeit, nicht einmal jene orbitale Wahrnehmung, von der Stanley Kubrick und David Bowie geträumt haben. Der Kosmos hat keine Zeit jenseits der Erzählung, und sein Raum ist nichts anderes als ein System ineinander geschachtelter Bühnen für große Auftritte und Duelle. Das Große und Ganze hat seine Weite verloren. Es ist, als habe ein zweiter, ein semiotischer Urknall stattgefunden und gewaltige Mengen von Gadgets, Superwaffen und Design-Partikeln ins All geschleudert. George Lucas hat es geschafft: Nach Kinderzimmern und Köpfen hat er nun auch den Kosmos zugemüllt. Kein Wunder, dass hier für keinen menschlichen Gedanken mehr Platz ist.
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