Kritik zu Sparta
In Ulrich Seidls zweitem Film des mit »Rimini« begonnenen Diptychons über ein Brüderpaar spielt Georg Friedrich den zurückhaltenden Ewald, der in Rumänien mit dem Dämon seiner pädophilen Neigung ringt
Mit »Sparta« setzt Ulrich Seidl das mit »Rimini« begonnene Diptychon fort und erzählt die Geschichte der elenden Brüder weiter, in deren Leben die Saat patriarchaler Gewalt unterschiedlich aufgeht.
Während also der (abgehalfterte) Schlagersänger Richie Bravo (Michael Thomas) in »Rimini« mit den Forderungen seiner plötzlich aufgetauchten Tochter ringt, ist Kraftwerksingenieur Ewald (Georg Friedrich) unterwegs in Rumänien und ringt mit dem Dämon seiner pädophilen Neigung. Im Unterschied zu Richie, der kein Problem damit hat, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, bleibt Ewald lieber im Hintergrund und geht Konfrontationen eher aus dem Weg; seiner kräftigen Statur zum Trotz, wirkt er verloren, verunsichert, verängstigt.
Das Scharnier zwischen den beiden bildet der Vater, der in einem Altersheim irgendwo in Österreich schwer dement mit seinem Rollator herumkurvt und nach einem Ausweg sucht. Nicht, dass ihm das bewusst wäre, denn ihm ist nur noch sehr wenig bewusst. Der Nazi immerhin, der steckt fest in ihm drin, eingefleischt sozusagen. Und auch wenn er kaum mehr Wörter hat, »Jedem das Seine«, das weiß er doch ganz genau. Der verdämmernde Nazi – von Hans-Michael Rehberg in seiner letzten Rolle eindringlich verkörpert – ist das Symbol der Weitergabe der patriarchalen Gewalttradition vom Vater an den Sohn – »… hart wie Kruppstahl …«.
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Zu sehen in einer der Schlüsselszenen von »Sparta«, in der der von Ewald in gebotener Heimlichkeit geliebte, zartgliedrige Bub von seinem Stiefvater einer jener Abhärtungsmaßnahmen unterzogen wird, mit denen vermeintliche Männer vermeintlich Männer schaffen. Dem Stiefvater ist das Treiben im alten Schulhaus suspekt, das Ewald gemeinsam mit den Burschen des Dorfes zur titelgebenden, als Zufluchtsort fungierenden Festung ausgebaut hat. Hier tobt er mit ihnen herum, hier fotografiert er sie. Das ist Ewalds Versuch, eine Form zu finden für die tabuisierten Gefühle; eine Form, die, als eine Art Männerbund gedacht, gerade noch tolerierbar wäre, weil in einem solchen bekanntermaßen das Verdrängte immer schon mithaust. Bis die erbosten Väter schließlich die Festung stürmen und die Söhne alles andere als zimperlich zurück unter ihre Fuchteln reißen.
Nein, verharmlost wird hier nichts. Ewald ist kein guter Onkel, seine Absichten sind nicht unschuldig. Friedrich lässt keinen Zweifel an der Schwäche und am letztlichen Versagen seiner Figur. Aber eben auch daran nicht, dass genau dies Ewalds Tragödie ist. Er ist, wie sein Bruder, ein Armseliger, und er kann, wie dieser, nicht entschuldigt werden. Er ist auch nicht Teil einer Milchmädchenrechnung, die da lautet: Hätte der Vater die Brüder zärtlich geliebt, sie wären bessere Männer geworden. Er ist aber Teil einer Kritik an Geschlechterstereotypen, die die Resultate der machistischen Zurichtungen schmerzhaft zuspitzt. Die Beschädigungen von Richie Bravo und Ewald sind Anklage und Lamento zugleich: Was das Patriarchat Menschen antut, wenn es sie zu »Männern« macht.
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