Kritik zu Schweigend steht der Wald

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Die Oberpfalz kann sehr kalt sein: Im Langfilmdebüt von Saralisa Volm spielt Henriette Confurius die Forstpraktikantin Anja, die einem Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus auf die Spur kommt

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Der Wald ist ja gewissermaßen das Nationalheiligtum der Deutschen, ein mythischer und legendenumrankter Ort, ein Hort der Märchen und Sagen und für manche ein Baustein auf dem Weg zu einer nationalen Identität, angefangen von der Schlacht im Teutoburger Wald über die romantische Sehnsucht nach der Ursprünglichkeit der Natur bis hin zum Blut-und-Boden-Mythos der Nazis, die den Kult um die germanischen Waldmenschen pflegten. 

Und so ist der Schauplatz Wald für diesen Film auch vortrefflich gewählt, denn er führt zurück in die dunkle, brutale, braune Vergangenheit. Würmer und Maden durchwühlen zu Beginn des Films den Boden, ein Hinweis auf Tod und Fäulnis, auf die Prozesse der Verwesung, die die toten Körper zersetzen. Und immer wieder fährt in diesem Film die Kamera durch den rätselhaften Wald, der von oben aus der Luft wie eine undurchdringliche Wand wirkt, hinter der sich, vielleicht, Gewalt und Tod verbergen. Und dass dem Wald nicht zu trauen ist, das wissen wir nicht nur aus amerikanischen Horrorfilmen. 

Und so wie der Wald selbst ein vieldeutiges Gebilde ist, so bestimmt er auch vielfältig das Leben von Anja Grimm (Henriette Confurius). Grimm, das ist natürlich auch ein sprechender Name, spielen doch die bösen Märchen der Brüder Grimm des Öfteren im Wald. Und irgendwann gibt sie eine komplett umgedeutete Version von Hänsel und Gretel zum Besten. Anja ist Praktikantin in der Forstverwaltung, in der Oberpfalz im Jahr 1999, und hat den Auftrag, den Wald irgendwo zwischen Neustadt und Weiden zu kartieren und Bodenproben zu entnehmen. Genau in dem Waldstück, wo vor 20 Jahren ihr Vater verschwunden ist. Aber das enthüllt der Film erst nach und nach, in der ersten Viertelstunde verzichtet er mutig auf Erklärungen, so wie sich das förmlich unter dem Waldboden liegende Verbrechen auch wie ein Puzzle zusammensetzt. Anja entdeckt, dass auf einer Lichtung erstaunlich hohe Konzentrationen von Kalk vorkommen. Ein Massengrab: Die Bewohner des Dorfes haben Fliehende von den Todesmärschen des KZs Flossenbürg erschlagen und verscharrt. 

Das bedeutet aber nicht, den Schluss des Films zu verraten. Und der ist viel pessimistischer als in dem zugrunde liegenden Roman von Wolfram Fleischhauer. Der Autor selbst hat seinen Roman adaptiert und etwa auch eine überflüssige Liebesgeschichte weggelassen. Und Saralisa Volm, die bislang als Schauspielerin (etwa für Klaus Lemke) und Produzentin gearbeitet hat, legt mit ihrer Verfilmung ein beeindruckendes Debüt vor, das furios Horror, Krimi und Selbstfindung mischt in der Aufdeckung des grausamen Verbrechens und mit einer immer geheimnisvollen Atmosphäre punktet. Volm kann sich dabei auch auf ein hervorragendes Ensemble verlassen, angefangen bei Henriette Confurius, die die durchaus taffe Anja mit einer auf ihre inneren Verletzungen hinweisenden Melancholie spielt. Und August Zirner gibt den bösen pensionierten Dorfpolizisten, als würde der direkt aus einem Backwood-Horrorfilm kommen.  

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