Kritik zu Roxy
Dito Tsintsadze erzählt in seinem neuen Film aus dem Milieu russischer Oligarchen in Deutschland mit Devid Striesow als Taxifahrer, der sich neu entdeckt
Mit ausdruckslosem Blick und einer Kunsthaarperücke sitzt Thomas Brenner (Devid Striesow) hinter der Windschutzscheibe eines Taxis und wünscht sich, unsichtbar zu sein. Die Unsichtbarkeit garantiert ihm eine gewisse Sorglosigkeit, denn jeder Kontakt bringt Sorgen und Aufregung mit sich. Verlässlich bringt Thomas Menschen von A nach B, taucht aber als Person in deren Leben nicht weiter auf. Und das ist gut so, denn auch sein eigenes Leben ist von Ereignislosigkeit geprägt. Essen, schlafen, Taxi fahren. Eine blitzsaubere kleine Wohnung und ein kleines Tablett mit sechs Würfeln, mit denen er schwierige Schicksalsentscheidungen trifft. Nicht dass es davon allzu viele gegeben hätte. Doch das ändert sich jetzt. Denn Thomas ist ein aufmerksamer Beobachter und kommentiert das Geschehen in fast poetischen Worten aus dem Off.
Die Einförmigkeit seines Alltags wird unvermittelt von einem Kampfhund namens Roxy unterbrochen, der soeben einen kleinen Artgenossen auf der Straße totgebissen hat. Sein Herrchen, ein russischer Oligarch, und seine zwei Handlanger drücken ihm drei nagelneue 500-Euro-Scheine in die Hand, um die Besitzerin zu entschädigen. »Behalt dein Scheißgeld«, schreit sie und reißt ihm unmittelbar danach doch die Scheine aus der Hand. In dem Moment weiß Thomas, dass hier auch für ihn mehr drin ist als eine simple Taxifahrt. An deren Ende wird auch er mit einigen 500-Euro-Scheinen entlohnt und der Bitte, sich für weitere Fahrten bereitzuhalten.
Mit der nächsten Fahrt kommt eine ungewohnte Aufgabe: Er soll neue Papiere besorgen, denn der Oligarch hat sich mit den falschen Leuten angelegt und befindet sich mit seiner Frau, seinem Sohn und einigen Vertrauten auf der Flucht. Thomas bringt ihn in einer leerstehenden Villa unter und muss erleben, wie einer seiner Helfer umstandslos erschossen wird. Doch da hat er nur noch Augen für die schöne Ehefrau und wird zum Vertrauten für den kleinen Sohn. In der Folge erleben wir die Wandlung eines unbescholtenen Menschen, die sich in keiner Form angekündigt hat.
Dito Tsintsadze erzählt seinen untertourigen Thriller gegen den Strich. Statt Spannung aufzubauen, lässt er die Dinge abrupt geschehen, statt einer Geschichte gibt es Szenen, die in der Reihung einmal angenommene Zustandsbeschreibungen umwerfen. Immer wieder lauert hinter der nächsten Einstellung eine völlig neue Gesamtsituation. Dazu kommt, dass der Score keine zitternden Geigen oder harte Gitarren einsetzt, die den Thrill steigern könnten, sondern in ihren Harmonien sanfte Barockmusik, die der kalten, fast emotionslosen Darstellung zuwiderläuft.
In diesem Kontrast entsteht die eigene Ästhetik des Films, der insgesamt anstrengend und rau bleibt und dem man sich sehr bewusst nähern muss. Wenn man das allerdings tut, kann man die Ansätze einer schwarzen Komödie erkennen, die Demontage eines Thrillers und die Konstruktion einer Persönlichkeit. Was mit dem Taxi passiert, das allerdings erzählt der Film nicht mehr.
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