Kritik zu Rose – Eine unvergessliche Reise nach Paris
In Niels Arden Oplevs neuem Film geht es um das Leben mit Schizophrenie und eine Reise in die Vergangenheit
Am Anfang seines Films »Rose« verfährt Niels Arden Oplev ganz im Sinne Goethes: »Bilde, Künstler, rede nicht!« Der 2009 mit »Verblendung« international bekannt gewordene Däne lässt Bilder sprechen. Rasmus Videbæks Kamera fungiert als diagnostisches Instrument. Sie beobachtet eine Frau in den Vierzigern auf einem Bett, mit verlorenem Blick und verräterisch ungesunden Tränensäcken. Inger (Sofie Gråbøl) bewegt sich mit gekrümmtem Körper und spricht meistens im trocken-einsilbigen Stakkato-Duktus. Erst später machen Wörter in Oplevs Film klar, woran Inger leidet. Sie sei »psychisch krank«, schizophren, informiert sie die Reisebusgesellschaft, mit der sie sich auf dem Weg nach Frankreich befindet. Begleitet wird sie von ihrer Schwester Ellen (Lene Maria Christensen) und deren Mann Vagn (Anders W. Berthelsen).
Oplevs (Buch und Regie) »Rose – Eine unvergessliche Reise nach Paris« ist ein persönliches Projekt, eine »Liebeserklärung an meine beiden Schwestern und alles, was sie durchgemacht haben«. Die Reise mit Stationen in Paris, Versailles und der Normandie gestaltet sich konfliktbeladen; der Bus wird zur Arena. Inger verunsichert die Mitreisenden mit Fragen wie »Wollen Sie mich ficken?« und Statements wie »Ich will dich erwürgen«. Insbesondere der zwanghafte Spießer Skelbæk (Søren Malling), ein Lehrer, nimmt Anstoß. Doch es entsteht ein emotionales Netz aus Menschen und äußeren Einflüssen (Bildern von Impressionisten im Musée d'Orsay und Monets Garten in Giverny), in dem Inger sich geborgen fühlen kann.
Paris erweist sich als zentraler Ort der Reise 1997, im Jahr, als Diana, Princess of Wales, in der Stadt stirbt. Hier hat Inger vor 20 Jahren eine große Liebe erlebt und verloren. Jacques Brels Chanson »Ne me quitte pas« spiegelt die Geschichte. Danach begann sich ihre Krankheit mit Stimmen, Todesvisionen und Suizidfantasien zu entwickeln. Oplev verliert den Ernst seiner Erzählung nie aus den Augen, auch wenn er immer wieder komödienhafte Elemente in die Handlung einwebt. Und er feiert in Person von Ellen, Vagn, Skelbæks Sohn Christian (Luca Reichardt Ben Coker) und des Pariser Taxifahrers Nadir (Illyès Salah) die Fähigkeit zu vorbehaltloser Empathie.
Gråbøl trägt den Film. Sie zeichnet die Persönlichkeit ihrer Figur ohne Method-Acting-Manierismen, zeigt die Verwüstungen der Krankheit, aber auch die Würde, die sich Inger bewahrt. Und die Stärke und sture Widerständigkeit, die sie immer wieder aufbietet. Die Schizophrenie kann jäh aufflammen, richtig friedlich erscheint Inger nur, wenn sie schläft. Zusammen mit Christian bildet sie ein Paar, das sich vertraut und miteinander Geheimnisse austauscht. Der Junge ist auch für eine zentrale Begegnung Ingers mit ihrer Pariser Vergangenheit verantwortlich.
In der Stadt scheint sie sich in bestimmten Momenten in die Frau von vor 20 Jahren zu verwandeln. Etwa wenn sie in flüssigem Französisch Crémant und Wein für ihre Mitfahrer bestellt oder Édith Piafs »La vie en rose« anstimmt: »Il est entré dans mon cœur ...« Endstation der Rückreise nach Dänemark ist kein Happy End, womöglich aber eine bessere Zukunft für Inger.
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