Kritik zu Portugal, mon amour
Turbulent-melancholisches Familienporträt: Ein älteres portugiesisches Paar, das seit langem im Pariser Exil lebt, erwägt die Rückkehr in die Heimat und sieht sich plötzlich zum Bleiben umworben
Seit dreißig Jahren leben Maria Ribeiro und ihr Mann José in Paris. Die beiden verhalten sich exakt so wie hochnäsige Franzosen sich Portugiesen vorstellen: Sie sind bienenfleißig,zurückhaltend und allzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen, um Franzosen zu helfen. Schon auf dem Weg zur Arbeit verleiht José ganz selbstverständlich sein Auto. Und wenn der Polier für seinen Chef wieder einma das Wochenende durcharbeiten muss, dann kommt keinerlei Protest. Auch Maria, die als Concierge in einem herrschaftlichen Jugendstilhaus des 16. Arrondissements Wohnungen putzt, lässt sich klaglos von den Reichen schikanieren.
Gramgebeugt ertragen die beiden vom Leben Gezeichneten ihr Schicksal, träumen dabei aber still und leise von der Rückkehr in die Heimat. Doch wehe, dieser Traum geht in Erfüllung! So geschieht es nämlich, als José ein Anwesen mit Weingut vererbt bekommt. Was nun? Das entbehrungsreiche Leben im Exil ist beiden zur zweiten Natur geworden, die Aussicht auf glückliche Rückkehr zu ihren Wurzeln erscheint wie eine Bedrohung. Für ihre französischen Ausbeuter wäre der Verlust ihrer dienstbaren Leibeigenen gar der pure Horror. Plötzlich setzt die kratzbürstige Wohnungseigentümerin Madame Reichert alles daran, Maria zu verwöhnen. Und José wird von seinem Chef plötzlich zu wichtigen Geschäftsessen eingeladen, auf denen man ihm einen Pommard von 1979 kredenzt.
Dass die beiden nun hofiert werden – und zwar buchstäblich im Stil Versailles – ist ihnen unheimlich. Sie fühlen sich nicht mehr wohl in ihrer Haut: Das ist die Ausgangssituation dieser liebenswürdigen Culture-Clash-Komödie. Von der ersten Szene an zieht die Kamera den Zuschauer hinein in dieses Pariser Mietshaus, dessen Innenhof ein farbenfrohes Blumenmeer ist. Als Glücksgriff erweist sich die Besetzung mit Rita Blanco und Joaquim de Almeida. Auch die weiteren Figuren hat der Regiedebütant und Buchautor Ruben Alves, der als Sohn von Auslandsportugiesen aus dem Vollen schöpft, nuanciert gezeichnet und bis in die Nebenrollen hinein gut besetzt.
Aus rechtsrheinischer Perspektive betrachtet man das melancholisch-turbulente Familienporträt leider aus einer gewissen Distanz. Der filmische Fado seziert den Klassengegensatz zwischen Franzosen und Portugiesen, die in der Grande Nation die drittstärkste Einwanderergruppe bilden. Da die Reibungspunkte zwischen den Dialekten für deutsche Ohren oft nur zu erahnen sind, erschließt sich gefühlt nur jeder zweite Witz. Dafür überzeugt die andere Hälfte – etwa wenn die versnobte Bauherrengattin bei Wikipedia nachschauen muss, ob Portugiesen Gazpacho mögen. Oder wenn der plötzlich wohlhabende Handwerker José den distinguierten Autohändler fragt, ob es das Porsche Cabrio auch mit Anhängerkupplung gibt: Portugal, mon amour lebt, wie jede Komödie, von gewissen Klischees, etwa der Fußballverrücktheit der Portugiesen. Doch die wurden nicht – wie etwa im Welterfolg My Big Fat Greek Wedding – bis zur Kenntlichkeit entstellt. Das große Publikum wird sich eher nicht über die Ribeiros amüsieren.
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