Kritik zu Opus – Ryuichi Sakamoto

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2023
Original-Titel: 
Ryuichi Sakamoto Opus
Filmstart in Deutschland: 
28.03.2024
L: 
103 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Neo Sora, Sohn des genialen, vielseitigen Musikers Ryuichi Sakamoto, verabschiedet sich mit einer puristischen Schwarz-Weiß-Konzertaufnahme von seinem Vater

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Er hinterließ zahlreiche Spuren. Als Musiker und auch als Schauspieler trat er in Erscheinung. So spielte er etwa in Nagisa Oshimas Lagerdrama »Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence« die Hauptrolle an der Seite von David Bowie. Für diesen Film komponierte er zugleich jene zeitlose Musik, die man heute noch im Ohr hat. Der Soundtrack war seinerzeit recht erfolgreich. Mit kaum fassbarer Selbstverständlichkeit verbindet diese eingängige Melodie westliche Harmonien mit einer fernöstlichen Anmutung.

An diesem musikalischen Brückenschlag zwischen Europa und Japan hat Ryuichi ­Sakamoto sich abgearbeitet. Und so ist es gewiss kein Zufall, dass er sich ausgerechnet mit einer dezenten Klavierversion dieser Filmmusik verabschiedet. Und zwar für immer. Sein Sohn Neo Sora hat das letzte Konzert des Vaters mit der Kamera festgehalten. Im Dezember 2022, einige Monate vor seinem Tod, griff Sakamoto in einem Studio in Tokio noch einmal in die Tasten. Zuschauer sind in diesem intimen Moment keine anwesend. Kaum ein artikuliertes Wort schafft es in die letzte Schnittfassung dieses musikalischen Vermächtnisses. Nichts unterbricht die beinahe sakrale Stimmung dieses minimalistischen Klavierkonzerts.

Und so gibt es auch keine Rückblende auf den ereignisreichen Werdegang des vielseitigen Künstlers. Erinnert wird nicht etwa an die fruchtbare Zusammenarbeit mit Ha­ruomi Hosono und Yukihiro Takahashi bei der Elektroformation Yellow Magic Orchestra – die in Japan ähnliche Verehrung genießt wie hierzulande Kraftwerk. Auch seine zahlreichen Kompositionen, etwa der Score zu Bertoluccis »The Last Emperor« – für den er einen Oscar gewann –, bleiben unerwähnt. Das wäre auch überflüssig. Ein Filmporträt, das Leben und Werk des Japaners beleuchtet, gibt es bereits. In »Ryuichi Sakamoto: Coda« hat Stephen Nomura Schible den Komponisten über fünf Jahre hinweg mit der Kamera begleitet.

»Opus – Ryuichi Sakamoto« ist dagegen etwas völlig anderes. Ein Film, der in dieser konsequenten Reduktion völlig unerwartet daherkommt. Diese neunzig Minuten sind eine musikalische Zen-Meditation. Nichts lenkt ab von den gestochen scharfen Schwarz-Weiß-Bildern, die diesen letzten Auftritt des Musikers mit subtiler Stilisierung unterstreichen. Musik und Inszenierung des Abschieds sprechen ganz für sich.

Allerdings erzeugt dieser vehemente Purismus schon auch eine gewisse Beklemmung. Das liegt an der markanten Innenarchitektur des gemieteten Studios 509 im NHK Broadcast Center, das, so Sakamoto in einem seiner letzten Statements, »aus meiner Sicht der Ort mit der besten Akustik in Japan ist«. Unweigerlich fällt der Blick auf jene streng geometrischen Akustikdämmplatten an den Wänden. Sie erinnern stark an die sichtbar gemachte Konstruktion jener Brutalo-Architektur, die man häufig in Leichenhallen antrifft. Und so wird einem beim Zuschauen allmählich klar, dass man teilnimmt an einer Trauerfeier des an Kehlkopfkrebs verstorbenen Komponisten.

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