Kritik zu More Than Honey
Alles, was Sie über Bienen wissen sollten, Ihnen aber zu fragen nicht eingefallen wäre: Markus Imhoof stellt das vielfach bedrohte Völkchen in seinem intelligenten Facettenreichtum und spektakulären Makroaufnahmen vor
Roten und grünen Honig haben Imker im Elsass in ihren Bienenstöcken gefunden, hieß es neulich in der Zeitung. Ursache seien Lebensmittelfarbstoffe aus der Süßwarenproduktion, die die Bienen schleckten. Die Nachricht ergänzt bestens den Tenor dieses Dokumentarfilms, in dem – nach den bisher bei uns noch nicht erschienenen Filmen zum Thema von Carter Gunn und Ross McDonnell (Colony, Irland 2009) und Taggart Siegel (Queen of the Sun, USA 2010) – nun auch der Schweizer Regisseur Markus Imhoof erschreckende Szenen aus dem Bienenleben zeichnet.
Das ist immer öfter ein Sterben, ganze Völker wurden in den letzten Jahren oft ohne erkennbare Ursache dahingerafft. Imhoof (Das Boot ist voll, Flammen im Paradies), selbst Sprössling einer alten Schweizer Imkersfamilie, macht sich zur Ursachensuche auf die übliche Rundtour um die Welt. Um es vorwegzunehmen: Sensationell Neues kommt dabei nicht heraus, soll es auch gar nicht. Stattdessen bringt Imhoof einige der vertrauten Thesen (Milben, Stress, Pestizide) zusammen und zeigt anschaulich, wie industrielles Wirtschaften die bienische Lebensweise von allen Seiten attackiert. Vor allem die expansive Bienenzucht der USA, wo die Völker Tausende von Kilometern von einer Monokultur zur nächsten transportiert werden: Perfekte Umschlag- und Brutplätze für Parasiten, die man dann durch noch mehr Chemie bekämpft. Um die Verluste zu kontern, werden die kollektiv lebenden Völker willkürlich aufgeteilt und mit künstlichen Königinnen versehen, die per Post aus der Schweiz kommen.
Hat die Bienenzucht die Seele verloren? Imhoof romantisiert die traditionelle Imkerei nicht, schließlich macht auch die sich die Tiere mit Gewalt und Betrug untertan, indem für den wertvollen gestohlenen Honig Zuckerwasser untergeschoben wird und auch mal auf »Fremdgehen« die Todesstrafe steht. Doch neben solchen Grausamkeiten widmet sich der von Imhoof in intim sanftem Ton erzählte Film auch den Wundern gesunden Bienenlebens vom berühmten Schwänzeltanz bis zu den 120.000 dreidimensionalen Geruchsrezeptoren. Dazu gibt es spektakuläre Makroaufnahmen aus dem Inneren eines Stocks.
Apokalyptisches absurdes Gegenbild sind die Bilder aus einem Landstrich Chinas, wo die Biene ausgestorben ist und jetzt Bauern mit Riesenwattestäbchen die Obstbäume per Hand bestäuben. Hoffnung? Die kommt hier aus Brasilien, wo 1957 sechsundzwanzig Schwärme der sogenannten afrikanisierten Honigbiene aus einem Labor in Sao Paolo entkamen und streuten. Sie scheinen honigmäßig höchst produktiv und gegen die üblichen Bienenfeinde widerständig zu sein – den Menschen eingeschlossen, weshalb sie Medien in USA und Europa auch Killerbienen nennen. Und weil sie wie andere unerwünschte (und dennoch fürs nationale Gemeinwohl meist nützliche) Migranten aus dem Süden in die USA kamen, begegnet man ihnen mit entsprechender Abwehrangst, erzählt ein von der urtümlichen Wildheit der Tiere begeisterter hippiesker Killerbienenzüchter. Was er uns verschweigt: Auch die afrikanisierte Honigbiene ist ja eigentlich eine künstliche kolonialpostkoloniale Kreuzung.
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