Kritik zu Menachem & Fred
Zwei Brüder einer Hoffenheimer deutsch-jüdischen Familie finden sich als alte Männer wieder, andere Hoffenheimer wollen die Taten ihres SA-Vaters sühnen – und zwischendurch entsteht dieser Film
Ob die Entscheidung richtig war, an diesem Film mitzuwirken? Sicher ist sich Fred Raymes nicht. Es schmerzt, in den alten Geschichten zu stochern. Doch das Pflichtgefühl ist stärker: Damit die Enkelkinder einmal wissen, was geschehen ist, wird sich der Einsatz lohnen. Viel Zeit ist nicht mehr, denn die meisten Jahre ihres Lebens haben Manfred und sein Bruder Heinz die Erlebnisse verdrängt. Als Kinder einer aus dem badischen Hoffenheim deportierten deutsch-jüdischen Familie waren die beiden Jungen – damals neun und zwölf Jahre alt – von ihren Eltern in einem französischen Waisenhaus untergebracht worden. Dem Älteren wird der kleine Heinz zum Schutz empfohlen. Dann werden die Eltern ermordet, in Auschwitz. Nach Kriegsende bricht Manfred sein Wort und lässt Heinz nach Israel reisen, während er selbst sich in die USA einschifft und dort unter neuem Namen eine Existenz aufbaut, die seine Herkunft negiert. Aus Manfred Mayer wird Frederick Raymes. Aus Heinz Menachem, ein orthodoxer Jude, dessen drei Kinder in der Westbank siedeln. Verbindung gibt es zwischen den beiden nicht. Erst Jahrzehnte später, als Fred bei einem Umzug die Briefe aus dem KZ wiederfindet, sucht er den Kontakt zum Bruder. Es entspinnt sich ein Mailwechsel und ein gemeinsames Buchprojekt. Dann kommt es zu einem Treffen – und zu dem hier vorgestellten Film.
Doch es gibt noch andere Akteure: Das sind die Hoffenheimer Geschwister Hopp, von denen Dietmar als Mitgründer des Software- Unternehmens SAP und Fußballmäzen bekannt ist. Ihr Vater Emil Hopp war jener SAMann, der am 10. November 1938 die Familie Mayer aus ihrer Wohnung verjagt hatte. Jetzt wollen die Kinder die Untat des Vaters sühnen, indem sie das Buchprojekt der Brüder, eine Gedenkstätte und ein Familientreffen der Großfamilie Mayer/Raymes in Hoffenheim unterstützen. Ganz klar ist nicht, wann und von wem die Idee des Filmprojekts dabei ins Spiel kam. Fern liegt sie sicherlich nicht. Die Geschichte könnte ein Drehbuchautor nicht runder erfunden haben: Verlorene und wiedergefundene Brüder, Verdrängung und Erinnern, Fragen von Schuld und Versöhnung zwischen Tätern und Opfern, Heimat und Identität. Und im Hintergrund lauern als dunkle Mächte deutsche und israelische Revanchismen, die beide auf ihre Art die Shoah instrumentalisieren.
Ein dramaturgisches Problem hat »Menachem & Fred« dennoch, weil der zentrale Teil seiner Geschichte notgedrungen im Rückblick erzählt wird. Die wesentlichen Momente der Annäherung sind lange vor Filmbeginn geschehen und werden von einer der beiden israelischen Regisseurinnen (beziehungsweise einer Stimme, die ihre Rolle spielt) nacherzählt, wobei die Interpretationen öfter übers Ziel hinauschießen. Die Geschehnisse in der Gegenwart folgen fast illustrativ den Standardsituationen filmischer Geschichtsaufarbeitung und setzen stark auf Sentiment. Mögliche Konfliktlinien werden höchstens angedeutet, dann der Versöhnung geopfert. So bleibt inhaltlich allzu vieles unscharf. Und wo vielleicht doch allzu nüchternes Nachdenken einsetzen könnte, setzt Zbigniew Preisners musikalische Begleitung schnell ein paar melancholische Schleier.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns