Kritik zu Me, We

© Four Guys Film Distribution

David Clay Diaz erzählt von Menschen, die sich angesichts der Flüchtlingskrise engagieren, aber an einem bestimmten Punkt überfordert sind und problematische Entscheidungen treffen

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Sie alle wollen das Beste. Aber was das ist und wie das zu verwirklichen ist, das ist nicht so einfach zu beantworten. Der Ukrainekrieg hat die Flüchtlingsproblematik in Europa in den Hintergrund gedrängt, aber wiederkehrende Meldungen in den Nachrichten erinnern uns daran, dass das Problem nicht gelöst ist.

»Me, We« erzählt in vier miteinander verschachtelten Handlungssträngen von Menschen, die sich engagieren. Die Studentin Marie bricht nach Lesbos auf, um auf dem Schiff einer NGO mitzuhelfen, Geflüchtete aus Seenot zu retten; die Fernsehredakteurin Petra nimmt den minderjährigen Syrer Mohammed in ihrer Wohnung auf; Gerald leitet ein Heim für geflüchtete junge Männer; Marcel gründet in der österreichischen Provinz mit seinen Freunden die »Schutzengel AG«, die jungen Frauen auf nächtlichen Nachhausewegen Geleitschutz vor vermeintlich übergriffigen Muslimen anbietet.

Das könnte, gerade im letztgenannten Erzählstrang, schnell als Karikatur enden, doch die Qualität von »Me, We« liegt darin, dass die Figuren und ihr durchaus ambivalentes Verhalten ernst genommen werden, das betrifft auch Marcel. Marie, Petra und Gerald sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, die sie bei ihrem Engagement nicht auf der Rechnung hatten.

Marie findet sich zur Untätigkeit verdammt, weil dem Boot der NGO seitens der Behörden die Flagge entzogen wurde und es deshalb nicht auslaufen kann. Petra muss erleben, dass ihre Erziehungsversuche bei Mohammed, etwa der Besuch einer Egon-Schiele-Ausstellung, in der er Probleme mit den dargestellten Frauen in ihrer Nacktheit hat, auf Widerwillen stoßen. Gerald sieht seine Autorität untergraben von einem Flüchtling, der sich nicht an die Regeln halten will. 

Alle drei reagieren darauf am Ende mit verzweifelten Alleingängen, die Konsequenzen für sie selbst und (bei Petra und Gerald) auch für die ihnen Anvertrauten haben. Gerade was diese beiden in einem Moment der Anspannung und Ratlosigkeit spontan machen, ist nicht gutzuheißen – aber in jedem Fall ist für den Zuschauer nachvollziehbar, was sie dazu treibt.

Der Titel des Films wird übrigens erst in der letzten Szene erklärt, es handele sich dabei um das kürzeste Gedicht der Welt, das auf Muhammad Ali zurückgeht, der damit das »Me« zugunsten des »We« zurückwies. 

Regisseur David Clay Diaz, Absolvent der HFF München, der mit seinem Abschlussfilm »Agonie« 2016 auf sich aufmerksam machte, und seinem Co-Autor Senad Halilbasic (»7500«), die beide aus Emigrantenfamilien stammen, ist mit ihren komplexen Figuren ein Film gelungen, der zur Auseinandersetzung anregt. Unter den Darstellern besonders hervorzuheben sind Verena Altenberger, die ihre Figur Marie mit ähnlicher Empathie ausstattet wie ihre Polizistin Bessie Eyckhoff im Münchner »Polizeiruf 110«, und Lukas Miko, der für seine Darstellung des Gerald bei der Diagonale 2021 mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde.

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