Kritik zu Max Beckmann - Departure
Michael Trabitzsch setzt aus Briefen, Tagebüchern und dem malerischen Werk in Selbstporträts und monumentalen Triptychen das zwischen Politik und Privatleben oszillierende Lebenspuzzle des großen deutschen Malers zusammen
Flüchtig und fragil wirken die wenigen, schwarz-weißen Filmaufnahmen, die den Maler im Garten mit Freunden zeigen oder allein beim Spaziergang am Meer. Es sind Grüße aus lang vergangenen Zeiten, auf dem körnigen Material und in den verwackelten Bildern wirkt der Maler wie ein Geist, der über Raum und Zeit hinweg kommuniziert: Fast könnte man den Eindruck gewinnen, es gelänge Michael Trabitzsch in seiner Dokumentation über Max Beckmann, den Maler höchstpersönlich in einen diskreten Dialog zu verwickeln, ihm einfach nur nachzulauschen, wie er sein Leben Revue passieren lässt und sich dabei im Grunde selbst erklärt – in schriftlichen und malerischen Selbstzeugnissen, in den Briefen und Tagebüchern, in denen er die Welt und sein Schaffen reflektierte ebenso wie in den vielen über die Jahre entstandenen Selbstporträts, die zwischen Selbstbefragung und Offenbarung oszillieren. Und natürlich immer wieder auch in den Werken, unter denen sich der Regisseur stark auf die monumentalen Triptychen konzentriert, die ab 1932 vielschichtige Reflexionen der politischen Zustände bieten, von den frühen Vorahnungen der Katastrophe bis zur finalen Hoffnungslosigkeit.
Zur Unterstützung zieht Trabitzsch, de rneben Dokumentationen über Salvador Allende auch schon einen Film über Ernst Ludwig Kirchner (Zeichnen bis zur Raserei – Der Maler Ernst Ludwig Kirchner) gedreht hat, Kunsthistoriker, Kritiker und Kuratoren wie Uwe M. Schneede, Didier Ottinger oder Reinhard Spieler hinzu. Sie bieten vor den Werken stehend zurückhaltende Interpretationen an, ohne den Bildern ihr Geheimnis zu nehmen, wollen »dechiffrieren, aber nicht erklären «, wie die Kuratorin des Museum of Modern Art in New York es einmal beschreibt. Wenn die Kuratoren der Museen in New York, St Louis, München oder Essen, wo die Triptychen hängen, über die Schätze in ihren Räumen sprechen, dann spürt man ihre Begeisterung. Ein wenig unglücklich ist nur, dass sie dabei oft den freien Blick auf die Bilder verstellen.
Aus dem Dialog zwischen Bildern und Selbstzeugnissen setzt sich sukzessive das Puzzle des Lebens von Max Beckmann zusammen, das wesentlich geprägt war durch die Erfahrungen der Kriege, durch die Verfolgung im Nationalsozialismus, das Zwangsexil in Holland und den hoffnungsvollen Neuanfang in Amerika, wo er als Maler gefeiert wird wie nie zuvor in Europa. Dezent illustriert Trabitzsch die Aussagen mit historischen Archivmaterialien und mit heutigen Aufnahmen von Beckmanns Lebensschauplätzen, in denen man dem nachspüren kann, was der Künstler damals gesehen und empfunden haben mag. Dabei bildet die lange Linie der Selbstporträts, in denen er über die Jahre altert und sich von einem stolzen, selbstbewussten jungen Mann in einen zunehmend zweifelnden, innerlich zerrissenen Künstler wandelt, ein kostbares Gerüst. Auch wenn sich die Bilder über die Jahre verdüstern, bleibt der Trost des künstlerischen Aktes: »Gestaltung ist Erlösung«, sagt Beckmann, »to create ist to be saved«. Auch wenn die Bilder die Hoffnungslosigkeit zeigen, so liegt doch schon Hoffnung darin, dass sie gemalt wurden.
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