Kritik zu L'etat et moi
Max Linz erweckt einen ehemaligen Communarden im heutigen Berlin zum Leben und stellt mit Slapstickhumor den Untertanengeist von einst und jetzt gegenüber
Zu behaupten, Detlev D. Detlevsen gehe in seinem Job auf, ist fast schon eine Übertreibung. Das zweite D steht übrigens auch für Detlev, sein obsessiver Charakter sollte also niemanden überraschen. Der von Bernhard Schütz ohne jeglichen Anflug von Ironie gespielte Streifenpolizist lebt ausschließlich für seine Arbeit. Sobald er jemandem auf der Spur ist, der seinen Vorstellungen von Gesetz und Ordnung nicht entspricht, ist er nicht mehr zu halten. Mit genau diesem Eifer, der so viel mehr ist als nur Übereifer, verfolgt er nun Hans List, der in Max Linz' Justizgroteske »L’etat et moi« ohne es zu wollen immer wieder für Chaos in Berlin-Mitte sorgt und gleich mehrere diplomatische Zwischenfälle provoziert.
Dieser Hans List, Komponist und Kommunist, ist ein wandelnder Anachronismus auf den Boulevards der sich weltstädtisch gebenden deutschen Hauptstadt, und das nicht nur aufgrund seiner altertümlichen Kleidung. Er kommt tatsächlich aus einer anderen Zeit, dem Jahr 1871, als in Paris mit brutaler Gewalt die Commune niedergeschlagen wurde. Der Deutsche List war einer der Communarden und ist deren Schicksal nur durch das Interesse der damaligen deutschen Staatsmacht an ihm entkommen.
»Entkommen« ist allerdings schon zu viel gesagt. Er hat die vergangenen 150 Jahre als Wachsfigur und damit als Exponat in einem der Ausstellungsräume des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses überstanden. Doch nun ist er wieder zum Leben erwacht, vielleicht auch, weil seine Fragment gebliebene Oper »Die Elenden« just im Mai 2021 ihre verspätete Uraufführung erleben soll. Vielleicht hat ihn aber auch eine kurze Begegnung mit seiner Wieder- und Doppelgängerin, der amtierenden Gerichtspräsidentin Josephine Praetorius-Camusot (beide werden von Sophie Rois mit einem Stoizismus verkörpert, der eines Buster Keaton würdig ist), wieder zum Leben erweckt. Zumindest bringt er, der sich immer wieder vor ihrem Richterstuhl wiederfindet, das Leben und Arbeiten dieser opernbegeisterten Richterin ziemlich durcheinander.
All das klingt erst einmal ziemlich absurd. Aber die Absurdität, die noch durch zahlreiche Slapstickmomente und reinen Klamauk gesteigert wird, hat in Linz' dritten Spielfilm Methode. Der Rückgriff auf die Pariser Commune und auf Victor Hugos Roman »Die Elenden« ist dabei nur einer der grandiosen Einfälle, die Linz hat, um unsere Gegenwart als direkte Verlängerung der Vergangenheit zu porträtieren.
Nicht nur das Berliner Stadtschloss wurde wieder aufgebaut. Der Untertanengeist des Kaiserreiches spukt auch so noch durch das hippe Berlin der Touristen und ihrer Rollkoffer, aber das ist schon wieder ein anderer Gag. Genau darin liegt das Geniale dieser Komödie, die nebenbei dem deutschen Genrekino einen Weg in Richtung Anarchie und Freiheit weist. Linz verbindet auf grandiose Weise Klamauk und Tiefsinn. Er gibt die Vertreter des sich demokratisch tarnenden Neowilhelminismus der Lächerlichkeit preis. Aber bei allem Klamauk bleibt der Schrecken, der in ihrem Denken liegt, sehr real.
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