Kritik zu Krieg & Spiele
Wie werden die Kriege der Zukunft aussehen, wie ihre Waffen? Karin Jurschick liefert in ihrem Dokumentarfilm Stoff zum beunruhigten Nach- und Weiterdenken
Als in Dallas der Polizistenmörder Micah Johnson von einem Sprengstoffroboter getötet wurde, war das technisch nichts Neues, polizeitaktisch schon. Und so ließ der Einsatz, obwohl Ähnliches beim Militär schon länger praktiziert wird, erneut die Ethikdebatten aufflammen, die seit Jahren den Einsatz ferngesteuerter Waffensysteme begleiten. Dabei stand allerdings meist – wohl auch wegen seiner Bedeutung für die neue militärische Mitteloststrategie von US-Präsident Obama – das gezielte Töten durch sogenannte Drohnen im Zentrum.
An diesen unheimlichen Boom unbemannter Luftfahrzeuge (UAV, so die offizielle Bezeichnung) knüpft auch dieser Dokumentarfilm an und setzt dabei gleich zu Anfang mit der visuell starken und aufwühlenden Szene eines aus heiterem Himmel attackierten Kindes und anknüpfender Fragen (»Die Götter sehen dich, immer. An die Stelle des Spielzeugs ist eine tödliche Waffe getreten. Ist sie unser Gott geworden?«) einen metaphysisch aufgeladenen Rahmen. Doch dann wird es schnell ganz konkret. Regisseurin Karin Jurschick lässt sich von einem Amateurmodellflieger einen selbst gebastelten Fotomulticopter vorführen, bevor sie nach Israel reist, um bei den dortigen Profis den Einsatz in echten Kriegsbedingungen zu studieren.
Die Drohnenpioniere um Exdirektor David Harari bei Israel Aerospace Industries sind stolz, mit der Entwicklung der Technik »auf beiden Seiten« viele Menschenleben gerettet zu haben, und eröffnen so den Kerntopos der Drohnenapologetik. Theoretisch unterfüttert werden sie von Moralphilosoph Daniel Statman und – zurück in Deutschland – von Herfried Münkler, der die »feigen« Distanzwaffen als stimmigen Ausdruck eines postheroischen Zeitalters sieht. Dann erweitert der Film das Diskursfeld zu anderen zunehmend raffinierten Kampfmaschinen. Und geht von Israel in die USA, wo Wissenschaftler an den expandierenden Grenzen der künstlichen Intelligenz forschen und ein Mann wie Dave Anthony vom Kriegsspielentwickler (»Call of Duty«) zum Politikberater geworden ist. Am Ende warnt die deutsche Big-Data-Expertin Yvonne Hofstetter vor einer nicht mehr weit entfernten Welt, in der die selbst ersonnenen Waffen sich zu autonomen Akteuren aufschwingen könnten.
Die 2004 für ihren Dokumentarfilm »Die Helfer und die Frauen« mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Karin Jurschick umkreist ihr gewichtiges Thema inhaltlich souverän und schafft es gemeinsam mit Kameramann Johann Feindt auch, in der klassischen Interviewform eigene ästhetische Akzente zu setzen. Der Musikeinsatz ist sparsam, der von Lena Stolze gesprochene Kommentar im Ton manchmal etwas raunend, in der Sache beharrlich nachforschend. Und wenn ein anonymer israelischer UAV-Trainer vorführt, wie vorbildlich er bei einem Antiterrorismuseinsatz alles dem Schutz der arabischen Nachbarn unterordnet, muss man die propagandistische Absicht der Vorführung schon selbst erahnen. Bewundernswert auch, dass und wie es der Filmemacherin in jahrelanger Vorarbeit gelungen ist, Menschen und Orte des öffentlichkeitsscheuen Gewerbes überhaupt vor die Kamera zu bekommen und so auch ganz buchstäblich unbekannte Einsichten zu liefern.
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