Kritik zu Komm mit mir in das Cinema. Die Gregors
Den Ehrenpreis für ihr langjähriges Wirken haben sie bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2019 bekommen, jetzt ruft dieses zweieinhalbstündige Porträt noch einmal ins Gedächtnis, was Erika und Ulrich Gregor in dreißig Jahren für die Filmkultur in Berlin und Deutschland geleistet haben
Es ist ein Doppelporträt – auch wenn man die Gregors in Berlin und auf Festivals meist zusammen sieht, stand Erika Gregor in der Öffentlichkeit doch im Schatten ihres Mannes. Der Film zeigt die beiden durchgängig zusammen, sowohl wenn sie im Gespräch die eigene Geschichte erzählen, als auch wenn sie anhand von Dokumenten wie Filmprogrammen, Fotos oder Ausschnitten aus für sie wichtigen Filmen ihre Erinnerungen entfalten.
Dabei wird immer wieder der Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart geschlagen, gleich zu Beginn, wenn Erika Gregor erzählt, wie sie sich kennenlernten: Bei einer Vorführung des studentischen Filmstudios der FU Berlin Ende 1957. »Menschen am Sonntag« wurde damals gezeigt. Den fand die 23-jährige Studentin »nicht gut« – »wie die Mädchen gezeigt werden, missbillige ich zutiefst«, findet sie auch heute noch, während Ulrich Gregor zaghaft einwirft, es handele sich um ein »satirisches Bild – das du leider nicht teilen kannst«. In der nachfolgenden Diskussion, die er leitete, äußerte sie ihre Kritik an dem Film, trotz dieses Dissens kamen sie sich näher und heiraten 1960.
In chronologischer Abfolge erzählen sie von ihrer Arbeit, beginnend mit einem sowjetischen Film, der bei der sowjetischen Botschaft in Ostberlin abgeholt und mit der Vespa in den Westsektor gebracht wurde, um ihn an der FU vorzuführen. Der große Sprung war die Gründung der Deutschen Kinemathek 1962, basierend auf der Filmsammlung von Gerhard Lamprecht. Der wollte als Sammler seine Schätze aber nicht unbedingt vorführen, wie Hans Helmut Prinzler, später Leiter der Kinemathek, betont. So kam es 1963 zur Gründung der »Freunde der Deutschen Kinemathek«, die aus diesem Bestand regelmäßige Filmvorführungen in der Akademie der Künste organisierten. Aber es ging nicht nur um die Filmklassiker, sondern auch um das Kino der Gegenwart. Im ersten Programm standen neben dem Stummfilmklassiker »Das Wachsfigurenkabinett« mehrere Filme von Unterzeichnern des Oberhausener Manifests, darunter Alexander Kluge und Edgar Reitz.
Es ging um das Kino in seiner ganzen Vielfalt, von den Marx Brothers (von Erika in London entdeckt) über Lionel Rogosins Südafrikadoku »Come Back Afrika« (die Kopie hatte ein Verkäufer bei ihnen deponiert) bis zur Doppelprojektion »The Chelsea Girls« von Andy Warhol (den sie in Cannes getroffen hatten).
1970 kam mit dem Arsenal ein eigenes Kino hinzu (»unser Lebenszentrum«, so Ulrich Gregor), 1971 – nach dem Skandal um Michael Verhoevens »o. k.« im vorangegangenen Jahr – das »Forum« als neue, eigenständige Sektion der Berlinale. »Andere Filme anders zeigen« wurde zum Motto der Kommunalen Kinos wie auch der Programmkinos, die in den 70er Jahren überall aus dem Boden schossen. Der Verleih der »Freunde« sorgte dafür, dass Filme aus dem Forum hinterher auch anderen Kinos zur Verfügung standen.
Zeitgeschichte und Filmgeschichte verschränken sich, wenn die beiden sich an einige der Filme erinnern, die besonders wichtig waren, so Rosa von Praunheims »Nicht der Homosexuelle ist pervers . . .«, Helke Sanders »Redupers – die allseitig reduzierte Persönlichkeit« oder Claude Lanzmanns »Shoah«.
Im persönlichen Gespräch nach dem Film kann Erika Gregor plötzlich über die schwierige Beziehung zu ihrem Vater, der aus dem Krieg nicht zurückkam, sprechen. Ulrich Gregor erinnert sich an seinen Vater, indem er den Vorspann von »Grün ist die Heide« zeigt: »Hammond-Orgel: Gerhard Gregor«. Beide rebellierten gegen den Mief der 50er Jahre, auf ihre eigene Art. Ulrich Gregor bleibt stets der nüchterne Analytiker, während Erika Gregor aus einem Bauchgefühl an Filme herangeht. Der Film fokussiert auf die beiden, verbunden durch Film als Mittel der Aufklärung; ehemalige Mitarbeiter und befreundete Filmemacher kommen in sehr knappen Erinnerungen zu Wort, am Ende ist der Film auch ein Geburtstagsgeschenk für Ulrich Gregor, der im September 90 Jahre alt wird.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns