Kritik zu Auf der Jagd – Wem gehört die Natur?
Von Jägern, Förstern und Wolfsbeauftragten: Alice Agneskirchner führt in ihrem Dokumentarfilm in den Mikrokosmos des deutschen Walds und derer, die sich um seine Nutzung streiten
»Es gibt keine Natur mehr«, bringt es einer der vielen Interviewpartner von Alice Agneskirchner auf den Punkt, die deutsche Landschaft, auch da, wo sie noch »natürlich« wirkt, sei gänzlich von Menschen geschaffen. Was die Dokumentaristin in ihrem Film zeigt, unterstreicht diese Behauptung in überraschend vielfältiger Weise. Wenn von Kühen die Rede ist, die »nach Milchleistung in Gruppen eingeteilt aufs Karussell geführt werden«, ist man schnell dabei, den Kopf zu schütteln über diese Entfremdung der Natur genauso wie der Sprache. Aber was ist mit den Wäldern, in denen in Tracht gekleidete Jäger ihrer Beute auflauern? Sie beschwören flüsternd uralte Traditionen, beklagen andererseits aber die Politik von »Abschussraten«, die das Jagen von 50 Hirschen vorschreiben, wo aber nur noch 20 zu finden sind. Die nämlich werden von Forstfachleuten aufgestellt, die nach der Devise »Wald vor Wild« handeln und nach »Verbissbelastung« entscheiden. Der Wald, das letzte Rückzugsgebiet des Rot- und Schwarzwilds, ist dabei nicht nur Wirtschaftsfaktor für die Holzindustrie; in den höheren Lagen ist er auch wichtig, um vor Lawinen zu schützen. Und wenn zu viel Wild das Nachwachsen der Bäume durch Verbiss verhindert, dann muss für Millionen Euro Holz eingeflogen werden, um Barrieren zu bauen. Wo sich die »Wolfsbeauftrage« – das gibt es! – in Brandenburg über die von der »Fotofalle« frisch geschossene Aufnahme eines Wolfes freut, ärgern sich andere darüber, dass das einst hierzulande fast ausgestorbene Tier nun wieder in ihren Jagdrevieren wildert. So schüttelt hier immer irgendeiner den Kopf über andere, während er die Natur für sich reklamiert.
Von diesem Kreislauf rund um die Frage, wem die Natur nun gehört und was überhaupt noch Natur ist, berichtet Agneskirchner in betont ruhigen, oft gar meditativ angelegten Aufnahmen und Szenen. Sie vermeidet jede polemische Aufladung und lässt die verschiedenen Standpunkte für sich stehen und gelten. Sie stößt mehr Nachdenken an, als Lösungen oder gar Untergangsszenarien zu präsentieren. Wer hätte gedacht, dass Natur so spannend und voller Konflikte sein kann.
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