Kritik zu Könige des Sommers
Das französische Filmdebüt porträtiert einen jungen Provinz-Tunichtgut, der mittels Käsemachens einen Ausweg aus seiner Orientierungslosigkeit findet
Du riechst nach Kuh!« Der beim Liebesspiel herausgerutschte Satz entpuppt sich als Kompliment – und als Zeichen, dass eine Frau und ihre Kühe im Leben von Totone fortan eine gewichtige Rolle spielen werden. Zu Filmbeginn aber steht der 18-Jährige nach einem Unglück plötzlich mit seiner siebenjährigen Schwester Claire allein da. Aus Nettigkeit gibt man ihm einen Job in einer Molkerei, den er prompt vermasselt. Immerhin erfährt er dort, dass auf den besten Comté-Käse der Region ein Preisgeld von 30 000 Euro ausgesetzt ist. Steht da in seinem heruntergekommenen Haus nicht noch ein alter Kupferkessel herum? Mit ebenso viel Energie wie Ahnungslosigkeit beschließt er mit seinen beiden besten Kumpels, Käse zu machen. Von einer oft ungesetzlichen und glimpflich ausgehenden Improvisation zur nächsten strampelt er sich wider Erwarten »aus dem Quark«.
Diese hinreißend vertrackte Coming-of-Age-Komödie war die Überraschung des Filmfestivals in Cannes, gewann mehrere Preise und fand auch den Beifall des französischen Kinopublikums. Es ist ein Filmdebüt aus einem Guss: Regisseurin Louise Courvoisier hat ihre Heimatkomödie mit drei weiteren Familienmitgliedern, die unter anderem für den Soundtrack sorgten, in ihrer Heimat rund um das Dorf Orgelet im französischen Jura gedreht. Alle Darsteller sind Laien; Clément Faveau als Totone ist von Beruf Hühnerzüchter, denn aus der Gegend kommt neben dem Comté auch das berühmte Bresse-Huhn.
Zu Beginn führt uns Courvoisier mit einer minutenlangen dokumentarisch anmutenden Plansequenz durch ein Dorffest in das unglamouröse Landleben ein. Totone, der sich dort mit Biertrinken, One-Night-Stands, Schlägereien und Tanz vergnügt, übererfüllt das Dorfjugendklischee und atmet doch Authentizität. Die Regisseurin ignoriert zwar wichtige Eckpunkte in Totones Existenz. In dem mit leichter Hand inszenierten Crashkurs spürt man dennoch, dass sie genau weiß, was sie zeigen will. Mit kenntnisreichen Details, ohne Romantik oder Klamauk, porträtiert sie Menschen, die zugleich handfest und eigenwillig sind. Idyllische Wiesen- und Berglandschaften einerseits und andererseits das Faible der männlichen Dorfjugend für alles Motorisierte, seien es Moped, Traktor, Lkw oder sich kunstvoll überschlagende Stockcars, sind kein Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig.
Ein Gutteil der Intensität dieses Heimatfilms ist – ganz im Gegensatz zur gewohnten französischen Gesprächigkeit – der ausdrucksstarken Maulfaulheit des Antihelden geschuldet. Hier wird nicht gejammert und nicht geflirtet. Meist beschränkt sich die Kommunikation auf Anraunzen und auf Blicke, mal melancholisch, mal mit einem interessierten Glimmen. Die Beschreibung prekärer Lebensumstände scheint von Ken Loach inspiriert. Doch statt politischer Botschaften kommt hier das Käsemachen als Metapher ins Spiel. Das »Auskäsen« des Jungspunds, der inmitten der von ihm verursachten Bredouillen seinen Weg findet, folgt einer Eigengesetzlichkeit, die immer wieder überrascht und beglückt.
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