Kritik zu Kneecap
Rich Peppiatt erzählt die nur zum Teil erfundene Geschichte einer echten nordirischen Band, die gälisch rappt – vor dem Hintergrund des Kampfes um die Anerkennung der irischen Sprache in Nordirland
Ein junger Mann sitzt in einem Verhörraum der nordirischen Polizei und gibt vor, kein Englisch zu sprechen. Wild fluchend äußert er sich auf Gälisch und weiß, dass ihn allein schon deshalb niemand belangen wird, weil es keiner der Anwesenden versteht. Die irische Sprache ist im britischen Norden zwar nicht mehr verboten, aber von einer wirklichen Anerkennung noch weit entfernt. Dennoch wird ein Irischlehrer aus dem Bett geklingelt und begibt sich in die für beide Seiten völlig absurde Situation eines Dolmetschers des Widerstands. Denn anders als in den sogenannten Gaeltacht der Republik Irland, wo es eventuell noch Menschen geben mag, die sich nicht auf Englisch äußern können, ist das im Norden unmöglich. Hier ist Englisch die einzige anerkannte Amtssprache, und jeder, ob er will oder nicht, wächst damit auf. Um so größer die Freiheit für eine gälischsprachige Rap-Band, die sich in drastischen Sex und Drogen verherrlichenden Reimen äußert und dazu den stürmischen Applaus ihrer Fans erntet. »Drei Konsonanten und ein Vokal«, rappen die drei und meinen damit zweifelsfrei MDMA.
Das Rapper-Trio Kneecap ist tatsächlich in diesem Verhörraum gegründet worden. Liam Óg Ó hAnnaidh und sein Freund Naoise Ó Caireallain besprühten bei einem Prostestmarsch für die gälische Sprache in Belfast eine Bushaltestelle mit dem Wort »C.E.A.R.T.A.« (zu Deutsch so viel wie Rechte), und Naoise wurde verhaftet. J.J. Ó Dochartaigh wurde als Dolmetscher hinzugezogen, und fortan traten die drei als Kneecap auf – unter den Pseudonymen Mo Chara, Móglaí Bap and DJ Próvaí. Letzterer mit einer irischen Pudelmütze, die zu einer Gesichtsmaske umgearbeitet wurde und seine Identität als Lehrer lange verbarg. Kneecapping übrigens, das Zerstören der Kniescheibe, ist eine gängige Strafe der IRA für Abtrünnige, Drogendealer oder sonstige ideologische Feinde, die anschließend den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen müssen. In diesem Film heißt die IRA ironisch RRAD (Radical Republicans Against Drugs) und wird immer wieder gehörig auf die Schippe genommen.
Überhaupt ist Rich Peppiatts Film nicht nur witzig, anspielungsreich und voller Energie, sondern auch politisch selbstbewusst und mutig. Er tritt ebenso für humanitäre Werte ein, wie er sich am spießigen Mittelmaß schadlos hält. Die Lebenssituation in Nordirland wird so jeglicher Normalität beraubt und als das dargestellt, was sie nach dem vermeintlichen Ende der Troubles tatsächlich ist: grotesk. Die Freiheitswerte der Rebellen werden zwar noch hochgehalten, ihr Kampf aber als absurd und aus der Zeit gefallen abqualifiziert. Stattdessen rappen die drei auf bitter-komische Art und sorgen dabei vor allem für ironische Unterhaltung.
Aus diesem Geist ist auch der Film entstanden, den man unbedingt im Original sehen muss, weil es hier nicht zuletzt um Sprache und Identität geht. Selbst wenn man nicht erkennt, was wahr und was der notwendigen Überzeichnung geschuldet ist, bleibt eine rasante Geschichte, die so unglaublich ist, dass man sie besser kaum hätte erfinden können.
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