Kritik zu Kein Wort

© Grandfilm

Hanna Slak inszeniert ein stark gespieltes Drama um eine zerrüttete Mutter-Sohn-Beziehung vor beeindruckender Kulisse

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Schweigen kann mehr verletzen als ausgesprochene Worte. Das zeigt das Drama »Kein Wort« anhand einer zerrütteten Mutter-Sohn-Beziehung. Nina (Maren Eggert) arbeitet als Dirigentin und hat wenig Zeit für ihren Sohn Lars (Jona Levin Nicolai). Problematische Gespräche versucht sie zu vermeiden. Dass in der Parallelklasse von Lars ein Mädchen verschwunden ist, hat sie zwar mitbekommen, aber ihren Sohn danach zu fragen, dazu überwindet sie sich nicht. Erst als Lars nach einem Sturz aus dem Fenster im Krankenhaus liegt, scheint Nina zu merken, dass sie etwas ändern muss. Obwohl sie mitten in den Proben für ein Konzert steckt, fährt sie mit Lars in die Einsamkeit einer französischen Atlantikinsel, auf der sie früher oft Urlaub gemacht haben. 

Anstelle von Erholung aber treten die Risse der Beziehung weiter zutage. Mit ihrem schicken Mantel wirkt Nina in der rauen Natur fehl am Platz, während Lars sich hier wohler fühlt als in der unpersönlich eingerichteten Wohnung. Vor echter Auseinandersetzung schreckt Nina zurück: »Du wolltest etwas reparieren und bist aus dem Fenster gefallen, es war nur ein Unfall, richtig?« Anstatt ehrlich zu fragen, gibt sie die Antworten bereits vor. Es ist nicht unbedingt fehlende Fürsorge, sondern die Angst vor unbequemen Wahrheiten, die sie umtreibt. Immer mehr wächst in ihr auch die Sorge, Lars könnte etwas mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun haben. Doch ihr Verdacht stützt sich auf wenige Unstimmigkeiten. Ob er das Mädchen kannte, weiß sie gar nicht; und eigentlich ist es doch normal, dass ein solcher Vorfall einen Schüler mitnimmt, zumal die Schule die Sache ebenfalls eher totschweigt. Ein einfaches Gespräch könnte die Situation auflösen, doch stattdessen sorgt das Schweigen für Entfremdung und Gefühlskälte.

Verstärkt wird die Atmosphäre durch das winterliche Setting. Ein kaum beheiztes Haus, stürmischer Wind und grauer Himmel setzen die Stimmung des Films. Beeindruckende Bilder der kargen Felslandschaft und des tosenden Meeres gepaart mit aufbrausenden Orchesterklängen bauen eine stärker werdende Dramatik auf. Dass die Geschichte sich am Ende recht einfach auflöst, lässt die Inszenierung ein wenig ins Leere laufen. 

Die Dynamik zwischen Mutter und Sohn aber ist bestechend dargestellt. Gekonnt lässt Jona Levin Nicolai in seinem trotzigen Sich-Zurückziehen das Fordernde erscheinen, den sehnsüchtigen Wunsch, wieder eine engere Verbindung zur Mutter zu bekommen. Maren Eggert wiederum gelingt es, die Zerrissenheit ihrer Figur zu zeigen. Immer wieder schwankt Nina zwischen dem Wunsch, für ihren Sohn da zu sein, und der Befürchtung, ihre ambitionierte Karriere zu gefährden. Ständige Anrufe und der Blick aufs Handy stören ihre Versuche, das Gespräch mit Lars zu suchen. Ein bedenklicher Zustand medialer Abhängigkeit, hervorgerufen durch ein berufliches Umfeld, das ständige Erreichbarkeit einfordert und in dem die Angst, ersetzt zu werden, stets präsent ist. 

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