Kritik zu Ihr Name ist Sabine

- kein Trailer -

2007
Original-Titel: 
Elle s'appelle Sabine
Filmstart in Deutschland: 
15.01.2009
V: 
L: 
85 Min
FSK: 
6

Die Schauspielerin Sandrine Bonnaire hat einen Dokumentarfilm über ihre autistische Schwester Sabine gedreht

Bewertung: 4
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Ein scheinbar harmloser Satz zieht sich wie ein Refrain durch den Film. Es ist die Frage, die Sabine vor der Kamera wieder und wieder an ihre sie filmende Schwester Sandrine hinter der Kamera stellt: »Wirst du mich auch morgen besuchen kommen?« »Ja, gewiss «, hört man Sandrine aus dem Off antworten. Aber Gewissheiten scheint es für Sabine nicht zu geben, denn kurz darauf fragt sie wieder: »Sandrine, wirst du mich auch morgen besuchen kommen?« Und wenig später wieder: »Sandrine, kann ich dir noch eine Frage stellen? Wirst du mich auch morgen besuchen kommen?« Man versteht schnell, warum Sandrines bestätigende Antwort stets so müde und erschöpft klingt. Dann, ziemlich gegen Ende des Films, sieht man Sandrine einmal vor der Kamera, zärtlich umarmt sie diesen mit der ein Jahr jüngeren Schwester aus dem Off, richtig schwierig aber wurde es mit ihr erst, als alle Geschwister ausgezogen waren und Sabine als Einzige bei der Mutter zurückblieb. Längere Zeit gab es für ihr »Anderssein « keine Diagnose; im geschützten Zuhause lebte sie ein relativ selbstständiges Leben. Als sich durch einen Umzug der Mutter der Familienzusammenhalt weiter auflöst, wird sie zunehmend aggressiv. Die Versuche, sie in häuslicher Pflege zu halten, scheitern; Sabine wird für fünf Jahre in eine psychiatrische Klinik eingeliefert.

Sandrine Bonnaire gelingt das Kunststück, diese doch so persönliche Geschichte zu erzählen, ohne allzu privat zu werden. Sie schildert den Ablauf knapp und unpathetisch. Frühere Aufnahmen zeigen Sabine als junge schlanke Frau Mitte 20: eine starke Persönlichkeit, von der eine beunruhigende Intensität ausgeht. Sandrine ist mit ihr ans Meer gefahren, einmal sogar nach New York geflogen. Man sieht eine Person voller Lebensfreude, mit strahlenden Augen. Sie las Bücher über Philosophie und Geografie, bastelte kunstvolle Puppen, spielte mit Hingabe Klavier, erzählt Sandrine aus dem Off. Nach dem Klinikaufenthalt, bei dem sie mit starken Medikamenten behandelt wurde, konnte sie von all dem nichts mehr: Die aktuellen Aufnahmen zeigen eine sabbernde, korpulente Frau Ende 30, die schleppend redet und auch mal unvermittelt Passanten mit »Leck mich am Arsch!« anpöbelt.

Heute lebt Sabine in einer betreuten Wohnstätte mit anderen Autisten zusammen. Die meisten Szenen des Films zeigen sie dort, wo versucht wird, ihr ein Leben mit weniger Medikamenten und mehr Zuwendung zu ermöglichen. Ohne Selbstmitleid dokumentiert Bonnaire die Gratwanderung – Autisten sind keine »lieben« Behinderten –, die das im Alltag bedeutet.

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