Kritik zu Humpday
Seattle gilt eigentlich als Hauptstadt des Regens, in Lynn Sheltons Film aber ist das Wetter durchweg schön – die Independentfilmerin vermeidet in ihrem leichthändigen, dialogstarken und in vielerlei Hinsicht überraschenden Film jedes Klischee
Ben (Marc Duplass) und Andrew (Joshua Leonard) sind alte Freunde. Seit Bens Hochzeit haben sie einander nicht mehr gesehen und ihre Lebenswege haben eine jeweils eigene Richtung genommen. Während Ben ein ruhiges Vorstadtleben im kleinen Eigenheim führt, ist Andrew quer durch die Welt gereist und hat sich an verschiedenen Orten künstlerisch betätigt. Nun nistet er sich für ein paar Tage bei Ben ein. Gemeinsam lernen sie eine WG kennen, die eine offen experimentierfreudige Sexualität lebt und sich an einem künstlerischen Pornofilmfestival namens »Humpfest« beteiligen will. Und der Part, der Ben und Andrew dabei zufällt, ist so prekär, dass man Erregung kaum erwartet. Beide wollen als heterosexuelle Männer und alte Freunde vor der Kamera authentischen Sex haben. Die künstlerische Dokumentation der Erotik ist ein Weg, den Porno aus der Schmuddelecke zu befreien – so zumindest die Intention. Das Ergebnis allerdings ist ein ganz anderes. Und das liegt noch am wenigsten an Bens Frau Anna (Alycia Delmore).
»Humpday« ist ein Film voller ernsthafter Komik, voller vertrauter Fremdheit und intellektueller Naivität. Es ist ein absichtsvolles, manchmal hinterhältiges, aber immer spannendes Spiel mit den Widersprüchen der sagenumwobenen Männerfreundschaft, denen der Film auf den Grund geht, indem er ungeahnte Klippen und Felsvorsprünge zeigt, ohne seine Figuren zu diffamieren. Lynn Shelton belegt dabei erneut, dass Sex in all seiner Banalität und Kompliziertheit ideal ist, um Beziehungsstrukturen zu verdeutlichen und zu zeigen, wie wenig bleibt, wenn man die Oberfläche einmal durchdrungen hat.
So weit, so gelungen. Dennoch fehlt dem Film eine visuelle Dimension. Es ist ein kluges Kammerspiel, mit überzeugenden Charakteren, treffenden Dialogen und wunderbaren Pointen. Aber eben auch nicht mehr. Man kann nur ahnen, was Lynn Shelton daraus gemacht hätte, wenn sie ein etwas umfangreicheres Budget zur Verfügung gehabt hätte.
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