Kritik zu Helden des Polarkreises
Im hohen Norden ist die Hölle los: Dome Karukoski schickt drei finnische Loser durch eine aberwitzige Reise durch die Nacht
Medems Meisterwerk Die Liebenden des Polarkreises (1998), in dem sich ständig die Lebenswege zweier Menschen kreuzen. Mit dem Polarkreis hat dieser Film wenig zu tun: Die Liebenden treffen sich am Ende dort, an einem Tag, an dem die Sonne nicht untergeht.´Nun, Die Helden des Polarkreises schlägt aus dieser geografischen Verortung deutlich mehr Kapital – und hell wird es sowieso kaum in diesem Film, denn zum einen ist es Winter, zum anderen spielt er in einer Nacht. Was wiederum an After Hours von Martin Scorsese erinnert; auch über Die Helden des Polarkreises liegt eine bizarre, alptraumhafte, irgendwie künstliche Stimmung.
Oder vielleicht ist es ja doch einfach nur diese Gegend, in der im Sommer die Sonne nicht unter- und im Winter kaum aufgeht, die ihre Bewohner skurril und melancholisch werden lässt. Oder gar: depressiv. Denn der Film beginnt mit dem Baum, an dem sich die Väter einer Familie über mehrere Generationen hinweg erhängt haben, wegen Missernten, wegen der Deutschen und Russen im Zweiten Weltkrieg oder weil die Schweden gegen die Tschechen im Eishockey gewonnen haben. Willkommen im finnischen Teil von Lappland! Hier herrscht hohe Arbeitslosigkeit, und Janne ist, obwohl er noch nicht mal 30 zählt, schon seit vielen Jahren zu Hause. Ein Loser, wie seine Lebensgefährtin Inari findet. Als sie ihm 50 Euro für eine Digi-Box gibt und er sie mit seinen Kumpels vertrinkt, setzt sie ihm ein Ultimatum: Bis morgen früh muss die Box da sein, denn am Abend kommt Titanic in der Glotze – und Finnland hat auf digital umgestellt.
Das ist der Ausgangspunkt für die irrwitzige Reise von Janne und seinen zwei Kumpels durch die finnische Nacht. Sie treffen auf Inaris früheren Freund, einen rechten Zwangscharakter, schlachten für russische Touristen ein Rentier, helfen einer weiblichen Unterwasser- Rugby-Mannschaft (»Killerlesben!«) beim Eisbaden, und auch die Polizei versucht, ein Wörtchen mitzureden. Jannes Kumpel Kapu ist ein Zyniker (seine Vorfahren hingen alle an dem Baum), und Raihänen wird auf dieser Reise die Frau realiter treffen, deren Abbild er mit dem Videospiel in der Kneipe (Generation Pac Man) immer wieder zu entblättern versucht. Allerdings schaltet sich da erst mal seine Mutter ein.
Man kann das formelhaft finden, diese Mischung aus Roadmovie und Loserkomödie. Die Frau, die eine Beziehung auf den Prüfstand stellt, die dominante Mama, die Jungs, die sich treiben lassen, statt erwachsen zu werden – das haben andere Filme auch schon durchexerziert. Aber dieser Film hat einen ganz spezifischen und eher unterschwelligen Humor, der wie aus tiefer Verzweiflung kommt. Und wenn Raihänens gelb-schwarzes Auto, natürlich mit Heckspoiler (»Ich musste mich entscheiden zwischen Benzin oder einem Subwoofer«), zu finnischer Musik Pirouetten über der Winterlandschaft dreht, bevor es auf dem Kopf im Schnee landet, dann ist das fast schon große Oper.
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