Kritik zu Furusato – Wunde Heimat

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Nach der Katastrophe: Dokumentarfilmer Thorsten Trimpop porträtiert Bewohner im Umkreis des Reaktors von Fukushima, die ihre Heimat nicht aufgeben wollen

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Ein trauriger junger Mann hält ein Foto vor die Kamera: »Das hier ist unsere Katze. Wir konnten sie nicht mitnehmen.« Nach dem Reaktorunfall im Jahr 2011 wurde das Gebiet um Fukushima zunächst evakuiert, doch Haustiere durften nicht gerettet werden. Das Schicksal einer Katze mag angesichts einer Kernschmelze vielleicht etwas nebensächlich erscheinen. Es sind aber gerade solche Details am Rande, die in diesem Dokumentarfilm berühren.

Auf Off-Kommentare und eingeblendete Erläuterungen hat Thorsten Trimpop in seiner puristischen Langzeitbeobachtung, die in den Jahren 2012 und 2013 entstand, verzichtet. Die Kamera protokolliert die vielfältigen Nachwirkungen der Kata­strophe. »Furusato« hat der Regisseur seinen Film genannt, nach einem unübersetzbaren japanischen Begriff, der Heimat ebenso bedeutet wie jene Landschaft, die ein Mensch sieht, bevor er stirbt. Diese Verwurzelung macht der Film nachvollziehbar am Beispiel einer kleinen Gruppe von Menschen aus Minamisoma, einer Stadt im Distrikt Fukushima. Obwohl die Strahlenbelastung hier noch vergleichsweise hoch ist, können sie sich nicht von ihrer Heimat trennen, die wie eine Geisterstadt anmutet.

Wir lernen einen jungen Mann kennen, der eigentlich Sänger einer Rockband werden wollte, dann aber durch den Reaktorunfall nicht nur seine Katze, sondern auch seine Zukunft verloren hat. Ein knapp 70-jähriger Priester, dessen Familie seit 47 Generationen das Oberhaupt eines Tempels stellt, ignoriert das Ticken des Geigerzählers. Ein Pferdezüchter und seine Tochter helfen ihren verstrahlten Tieren so gut es geht. Sichtlich bewegt bekennt sich ein leitender Atomingenieur der Firma Tepco vor der Kamera zu seiner Mitverantwortung für die Katastrophe. Der wohl wichtigste Protagonist ist ein buddhistischer Mönch, der mit einem Hungerstreik gegen die schleichende Bagatellisierung der radioaktiven Verseuchung protestiert.

Obwohl diese Menschen sehr unterschiedlich sind, zeichnet sich in ihrer Haltung, die der Film behutsam hervorkehrt, eine Übereinstimmung ab. Diese Menschen haben allen Grund, die Atomwirtschaft zu verfluchen, verlieren aber nie die Contenance. Mit einer religiös anmutenden Demut verrichten sie ihr Tagewerk. Da gibt es beispielsweise einen Freiwilligen, der mit einem Handfeger kontaminierten Staub am Rand eines Schulwegs entsorgt: in der Hoffnung, dass es den Kindern, die hier vorbeigehen, so wenigstens ein klein wenig besser ergeht. Mit ihren weißen Schutzanzügen und den Atemmasken scheinen die Bewohner von Minamisoma einem Science-Fiction-Film entsprungen zu sein. Was »Furusato« von solchen Katastrophenszenarien unterscheidet, ist die gespenstische Unaufgeregtheit. Ganz allmählich erst wird einem beim Zusehen bewusst, dass diesem Film etwas gelungen ist, das selten gelingt: Die zuweilen bizarre Poesie der Bilder ist ein Spiegel, der die Unsichtbarkeit der radioaktiven Strahlung indirekt sichtbar macht. Mit seinen sehenswerten Beobachtungen eines kontaminierten Alltags macht Trimpop spürbar, wie eine Katastrophe sich anfühlt, die zur schmerzlichen Routine geworden ist.

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