Kritik zu Frost/Nixon
Zwischen Fakten und Fiktion bewegt sich Peter Morgans Theaterstück über das TV-Interview, das Richard Nixon 1977 dem britischen Journalisten David Frost gab. Ron Howard hat es nun fürs Kino inszeniert
Die Großaufnahmen geben in diesem Film Rätsel auf; wie Stolpersteine sind sie in den Fluss der Bilder eingebettet. Warum sehen wir die Manschettenknöpfe des Präsidenten im Detail, als er sich auf die Ansprache zu seiner Abdankung vorbereitet, weshalb fokussiert die Kamera später seine Kaffeetasse oder die Schuhe eines Journalisten?
Auch »Die Unbestechlichen«, die filmische Aufarbeitung des Watergate-Skandals, begann mit einer Großaufnahme: von Buchstaben, die von einer Schreibmaschine mit Wucht auf ein Blatt geschlagen werden. Die Worte waren die einzigen Waffen in dem Politthriller über eine Sternstunde des investigativen Zeitungsjournalismus. Wollte man dem Fernsehen eine ebenso aufklärerische Präzision zutrauen? Drei Jahre nach dem Ende seiner Präsidentschaft stand Richard Nixon dem britischen Talkshowmoderator David Frost in vier Sendungen Rede und Antwort. In dem Film, den Ron Howard nach Peter Morgans Drama gedreht hat, beklagt einer von Frosts Beratern die gefährlich vereinfachende Macht des Fernsehens. Am Ende muss er anerkennen, dass die Großaufnahmen bezeichnender Details hier eine ganz eigene Realität schaffen.
Der ehemalige Kinderdarsteller Howard ist inmitten von Fernsehkameras groß geworden. Regelmäßig rückt er anfangs Fernsehmonitore ins Bild, auf denen sich die Ereignisse zu verdoppeln scheinen. Bereits in den Bühneninszenierungen von Morgans Stück in London und am Broadway konnte der Blick von Monitoren auf die Schauspieler schweifen. Die Vorlage zeichnet ein noch kritischeres Bild der manipulativen Macht der Medien, aber sonst führt in dieser Adaption ein erstaunlich gerader Weg von der Bühne auf die Leinwand. Auch den Anschein einer Dokumentation, den sich der Film eingangs gibt, indem er Zeitzeugen in die Kamera sprechen lässt, nimmt Morgans Stück vorweg: Dort adressieren Frosts Berater und Nixons ehemaliger Stabschef direkt das Publikum. Die faszinierende Konjunktion, als Frost beim Fernsehen für einen Moment Blickkontakt mit Nixon zu haben scheint, ist indes eine brillante Kinoerfindung.
»Frost/Nixon« weist eine ähnliche Personenkonstellation auf wie die modernen Königsdramen, die Morgan für Fernsehen (»The Deal«) und Kino (»The Queen«) geschrieben hat. Der Talkshowmoderator Frost (Michael Sheen), von dem es im Dialog heißt, er sei ein Mensch ohne politische Überzeugung, aber mit unfehlbarem Instinkt fürs Fernsehgeschäft, wittert den Coup seines Lebens, als er die Einschaltquoten studiert, die die Übertragung von Nixons Abschied aus dem Weißen Haus weltweit hatte. Nixon willigt in sein Angebot ein, weil der ruhmsüchtige Journalist als ein Leichtgewicht erscheint, das ihm intellektuell nicht gewachsen ist. »Sie sind offensichtlich fürs Fernsehen geboren«, begrüßt er Frost bei der ersten Aufzeichnung generös und kokettiert damit, wie wenig Fortüne er selbst bislang in dem Medium hatte: Für die Niederlage gegen Kennedy macht er den Bartschatten und die Schweißperlen verantwortlich, die das Publikum 1960 bei ihrem Fernsehduell in entlarvenden Großaufnahmen sehen konnte. Dennoch behält er die Zügel zunächst im Griff, speist den Interviewer mit langatmigen Anekdoten ab, weicht kritischen Fragen geschickt aus.
Frank Langella nimmt die pathologischen Züge Nixons zurück und verleiht ihm eine kleinliche Schläue, die jedoch schnell in staatsmännische Gravitas umschlagen kann. Morgan betont die innere Verwandtschaft der Kontrahenten, die beide im Exil leben (Frost arbeitet nach einigen Quotendesastern in Australien). Wirklich sympathisch ist keiner von ihnen, dennoch schafft es der Film, den Zuschauer mitfiebern zu lassen. Die Machtspiele, die sich die beiden Parteien liefern, schlagen einen in den Bann. Der Suspense erwächst aus der Frage, ob sich der Ex-Präsident am Ende nicht doch zu einem Eingeständnis seiner Verantwortung für Watergate und einer Entschuldigung durchringen wird. Dass es zu diesem Moment der Katharsis kommt, liegt nicht an der Hartnäckigkeit Frosts, sondern der Bereitschaft seines Gegners, die Deckung aufzugeben. Womöglich haben beide gelernt, den Souverän zu respektieren, den sie bislang gering schätzten: den Wähler und Fernsehzuschauer.
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