Kritik zu Film Stars Don't Die in Liverpool

© Sony Pictures

2017
Original-Titel: 
Film Stars Don't Die in Liverpool
Filmstart in Deutschland: 
05.04.2018
L: 
105 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Annette Bening in der Rolle der alternden Gloria Grahame und Jamie Bell als der junge Schauspieler Peter Turner, der sich in sie verliebt: ein Film, in dem das Leben das Kino gleich mehrfach imitiert

Bewertung: 3
Leserbewertung
2.5
2.5 (Stimmen: 2)

Manchmal kommen sich Kunst und Leben so nah, dass die Grenzen verwischen. So war es auch in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren, als sich der junge britische Schauspieler Peter Turner in Gloria Grahame verliebte. Im Prinzip klingt schon die Geschichte, wie sie sich begegnet sind, nach einer klassischen Hollywood-Fantasie. Grahame, die 1979 nach London kommt, um dort Theater zu spielen, mietet ein Zimmer in einem Haus, in dem sonst eher junge, noch unbekannte Künstler, wie der aus Liverpool stammende Peter leben. So berühren sich plötzlich zwei Welten, die kaum gegensätzlicher sein könnten. Der 54-jährige Filmstar, der 1953 einen Oscar gewonnen hat, verliebt sich in den 1952 geborenen Sohn einer Arbeiterfamilie. Ein Stoff, wie geschaffen für ein Bohème-Melodrama, zumal Grahame gut zwei Jahre später während einer England-Tournee mit Tennessee Williams' »Glasmenagerie« schwer krank zusammenbricht. Im Krankenhaus will sie nicht bleiben. Also wendet sie sich an Peter, von dem sie sich einige Monate zuvor getrennt hatte.

»Film Stars Don't Die in Liverpool«, Paul McGuigans Verfilmung von Turners 1987 erschienenen Lebens- und Liebeserinnerungen, beginnt mit dieser Rückkehr. Zwar kündigt Gloria Peter und dessen Eltern Bella und Joe an, dass sie bei ihnen schnell wieder zu Kräften kommen wird. Aber in Wirklichkeit läuft ihr die Zeit davon. Ein Happy-End wird es für die Liebe zwischen dem von Annette Bening und Jamie Bell gespielten ungleichen Paar nicht geben. Also erinnern sich die beiden an frühere Momente des Glücks. Fast unmerklich gleitet der Film aus der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück in die Gegenwart. Das Haus der Turners und Glorias Zimmer in London gehen ebenso ineinander über wie Amerika und England, Los Angeles und Liverpool, das Kino und die Wirklichkeit. Die Eleganz, mit der Paul McGuigan und seine Kamerafrau Urszula Pontikos von einer Zeitebene zur anderen wechseln, schafft faszinierende Verbindungen. Erinnerungen sind ganz ähnlich wie Filme selbst Fluchtpunkte. Wenn die Wirklichkeit droht, unerträglich zu werden, können sie den Menschen Kraft und Halt geben.

Aber nicht nur die beiden Liebenden, die sich mit ihren Gefühlen dem Tod entgegen stemmen und doch machtlos bleiben, flüchten. Auch McGuigan entzieht sich der heutigen Kinowirklichkeit. Seine Adaption von Turners Erinnerungen ist den Hollywood-Filmen der 1940er und 50er Jahre, in denen Gloria Grahame große Erfolge als Femme fatale gefeiert hat, näher als dem heutigen Zeitgeist. In Peters erster Nacht in Los Angeles stehen die beiden zusammen am Strand und blicken auf den Pazifik. Das silbrige Mondlicht, das sich in den sanften Wellen bricht, verleiht der Szene etwas Magisches. Für ein paar Augenblicke finden sich die Liebenden in einer Szenerie wieder, die auch aus einem Film von Nicholas Ray oder Vincente Minnelli stammen könnte. Das Leben imitiert das Kino und ist zugleich doch wieder Kino. McGuigan treibt ein doppeltes Spiel, in dem sich die Sehnsüchte der Menschen und die Macht des Films auf eindrucksvolle Weise offenbaren.

Die Sehnsucht nach einem Leben, dessen Drehbuch jeder einzelne selbst schreiben kann, erfüllt auch das Spiel von Annette Bening und Jamie Bell. Bening ahmt nicht einfach Gloria Grahames Schauspielstil und Tonfall nach. Sie erschafft sich vielmehr ihre eigene Gloria Grahame, der man sofort abnimmt, dass sie mit 54 noch die Julia aus Shakespeares »Romeo und Julia« spielen will. Was für eine bezaubernde, ganz und gar alterslose Julia, die sich in die Liebe wie ins Leben stürzt, sie zeigt sich, als Bening und Bell gemeinsam eine Szene aus Shakespeares Liebestragödie lesen. Für einen Augenblick triumphiert die Kunst über die Wirklichkeit, das Spiel über den Tod. Mehr lässt sich nicht erträumen.

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