Kritik zu Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist
In nüchternem, quasi-dokumentarischem Stil wird hier das Schicksal einer Frau verhandelt, die aus ihrem eigenen Leben keinen Ausweg findet
Nackt schmiegt sich Ann an einen Mann, der vollständig angezogen unter einer Decke neben ihr im Bett liegt. Sie reibt sich an seinem Oberschenkel und sagt in tonloser Stimme: »Ich liebe es, wie es dir egal ist, ob ich komme oder nicht!«
Damit ist die Struktur der Beziehung fast vollständig beschrieben. Es gibt eine Position von Unterwürfigkeit, eine nahezu rein sexuelle Verbindung, in der sadomasochistische Züge vorherrschen. Mitunter reden die beiden auch miteinander, aber die Basis dieser inzwischen neun Jahre andauernden Beziehung ist eine Sexualität, in der Lust und Erregung keine Rolle spielen. Von Liebe einmal ganz zu schweigen.
Diese Situation spiegelt sich in Anns Job. In einer namenlosen Firma ist sie eine Art Qualitätskontrolleurin, die nur vor dem Rechner sitzt und online Befehle entgegennimmt, es aber immerhin schafft, nicht entlassen zu werden. Auch die Beziehung zu ihren Eltern ist auf das Nötigste reduziert, eine wirkliche Auseinandersetzung findet nicht statt. Ann wird weitere Beziehungen zu Männern eingehen, zu dominanten, denen sie sich unterwerfen kann und die sie ohne jede Brutalität beherrschen, aber auch zu liebevollen, die ihr den Kontakt zu anderen Mastern nicht verbieten und doch keine Erfüllung bringen können. Am Schluss liegt sie, wiederum nackt, neben dem angezogenen Mann in genau diesem Bett.
»Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist« ist das Spielfilmdebüt der in Brooklyn lebenden Dokumentar- und Kurzfilmregisseurin Joanna Arnow. Sie schrieb das Drehbuch, schnitt den Film und übernahm die nicht gerade einfache Hauptrolle. Denn die Art, wie sich Ann darstellt beziehungsweise wie sie von den Zuschauern gesehen werden soll, wird durch Monotonie im Job und ein unaufgeregtes fades Beziehungsleben bestimmt. Sonst gibt es tatsächlich nichts in diesem filmischen Experiment, das dem Dokumentarfilm ebenso viel verdankt wie einer Form von absurdem Theater, über das Samuel Beckett vielleicht gelächelt hätte. Doch hier fällt es schwer, die Genrebezeichnung Komödie eingelöst zu finden. Selbst wenn man die Positionen, die Ann immer freiwillig einnimmt, als grotesk verstehen kann, bleibt wenig zu lachen übrig. Die starre Struktur, die monotonen, inhaltlich nichtssagenden Dialoge, die Abkehr von jeder Dramatik und Handlung und die immer gleichen Sets machen aus dem Film ein statisches Kunstwerk, das sich in der Betrachtung nicht wandelt, sondern verfestigt. Man mag einwenden, dass Joanna Arnow die Situation von berufstätigen, alleinstehenden Frauen zugespitzt darstellen wollte, doch selbst dann bildet der Film in seiner stereotypen Einseitigkeit und seiner folgenlos kreisenden Bewegung seine eigene Sackgasse. Familie, Job und Partnerschaft, das sind Themen, die jeder zweite Spielfilm irgendwie berührt. In ihrer reduzierten Art macht Joanna Arnow eine radikale Ausnahme. Doch es kostet viel Mühe, die immer gleichen Szenen und die immer gleichen Dialoge im Sinne einer feministischen Botschaft zu ertragen. Ein Kurzfilm von 20 Minuten hätte definitiv gereicht.
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