Kritik zu Die Jungfrau, die Kopten und ich
Der in Frankreich aufgewachsene Dokumentarist Namir Abdel Messeeh reist auf der Spur von Marienerscheinungen nach Ägypten und sammelt Eindrücke von den brisanten Widersprüchen der dort nebeneinander existierenden religiösen Weltbilder
Wunder haben im Kino eine lange Tradition. Zwischen der ephemeren Qualität des Wunders und der Flüchtigkeit des Kinobildes bestehen wesentliche Ähnlichkeiten. Auch in der französisch-ägyptischen Dokumentation »Die Jungfrau, die Kopten und ich« geht es um Glaubensprojektionen und spektrale Aufnahmen, wobei das eine mit dem anderen nur wenig zu tun hat. Diese Diskrepanz drückt sich durch eine gefällige Skepsis aus, wie sich leicht am süffisanten Lächeln des Autors und Regisseurs Namir Abdel Messeeh erkennen lässt. Hier versucht ein überzeugter Ungläubiger, Zugang zum spirituellen Alltag seiner Landsleute zu finden, aber eigentlich interessieren den Regisseur – das proklamatorische »Ich« des Filmes – mehr die gesellschaftlichen Verhältnisse eines Landes, das er selbst nur aus den Nachrichten kennt. Namir ist in Frankreich aufgewachsen; seine Eltern, die zur religiösen Minderheit der koptischen Christen gehören, haben das Land bereits 1973 verlassen. In Frankreich, in einem Wohnzimmer in Paris, nimmt »Die Jungfrau, die Kopten und ich« auch seinen Ausgang.
Hier zeigt eine Freundin der Familie Videoaufnahmen einer Marienerscheinung in der ägyptischen Heimat. Außer vagen Schemen ist auf den grobkörnigen Bildern nicht viel zu erkennen, aber auch die Mutter ist zur Überraschung ihres Sohnes davon überzeugt, die Jungfrau Maria in den Aufnahmen zu sehen. Die Insistenz der Mutter irritiert Namir zunehmend, so dass er beschließt, dem Phänomen der Marienerscheinungen, das in Ägypten besonders verbreitet ist, auf den Grund zu gehen. Was verbindet ägyptische Muslime und koptische Christen in ihrer Verehrung´für die Madonna? Und welche Funktion übernehmen die zahlreichen Marienerscheinungen in diesem Glauben? Namir reist nach Ägypten mit der klaren Anweisung der Mutter, ihre Verwandten nicht zu filmen. »Sie sind arm«, erklärt sie dem Sohn, »niemand soll sie so sehen.«
In Ägypten stößt Namir auf große Indifferenz, die seine eigene Skepsis widerspiegelt. Der Patriarch der koptischen Gemeinde verweigert dem Filmemacher die Aussage, Passanten auf der Straße fabulieren, auf eine Zeitungsanzeige, mit der Namir Augenzeugen der berühmten Marienerscheinung von Zeitoun 1968 ausfindig zu machen versucht, melden sich nur Wirrköpfe. So wird Namirs orientierungslose Spurensuche zur eigentlichen Bewegung des Films, die eigene Skepsis trägt schließlich Früchte. Als auch noch die Mutter anreist, weil der französische Produzent, der von Namir eine brisante Politdoku erwartet, aussteigt, kippt »Die Jungfrau, die Kopten und ich« vollends in die Farce.
Um Erkenntnisgewinn geht es in »Die Jungfrau, die Kopten und ich« nur vordergründig, dafür schaltet sich Namir als vermittelnde Instanz zu oft in seine dokumentarischen Exkurse an. »Du hast keinen Fokus«, wirft ihm der Produzent einmal am Telefon vor, aber schnell ist klar, dass das Scheitern wie bei so vielen Dokumentationen mit einem »Ich« im Titel zum Prinzip erhoben wird. So wird Namirs Ratlosigkeit zum Sinnbild der ägyptischen Verhältnisse – ein Jahr vor dem Sturz Mubaraks.
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