Kritik zu Die geschützten Männer
Überdrehte Satire um den Kampf der Geschlechter mit einem lustvoll agierenden Ensemble
Als der französische Autor Robert Merle 1974 seinen Roman »Die geschützten Männer« veröffentlichte, war dies wohl eine Reaktion auf die zweite feministische Welle in seiner Heimat. Es ging um ein Virus, das nur Männer dahinrafft. So kommen die Frauen an die Macht, die dann jedoch dieselben Machtstrukturen erneut reproduzieren.
Fünfzig Jahre später ist die Gleichberechtigung in vielen Belangen sehr viel weiter. Die Frage, wie eine gerechte, vielfältige, offene Gesellschaft funktionieren könnte, ist dennoch weiter aktuell. Die Erkenntnis, dass eine bloße Umkehr vom Patriarchat zum Matriarchat keine Lösung ist, genauso. Genüsslich und überdreht spießt das die Autorenfilmerin Irene von Alberti in ihrer Adaption auf – die Charaktere maßlos überzeichnet, die Ausstattung schrill und alles immer etwas drüber, dabei aber nicht weniger wahr und weniger ernüchternd.
Sie beginnt mit einem irre durch einen Park laufenden jungen Mann, der plötzlich eine übermäßige Körperbehaarung entwickelt, wild den Frauen nachsteigt und schließlich im Zustand höchster Erregung zuckend und tot zusammenbricht. Er ist von einem neuartigen Virus befallen, das sich ausschließlich in ohnehin testosteron-gesteuerten Männern seinen Wirt sucht. Es bricht ausgerechnet unmittelbar vor der Wahl aus, die der schmierige und übergriffige Kanzler Darius Becker (Godehard Giese) für sich entscheiden will. Dumm nur, dass er nach seinem Sieg gleich selbst davon befallen wird, ebenso wie einige seiner Minister. Geschickt weiß dieses Vakuum die Frauenpartei für sich zu nutzen. Kurzerhand macht sich die männerhassende Sarah Bredford (Mavie Hörbiger) zur Kanzlerin, ihre (Partei-)Freundin Anita Martinelli (Britta Hammelstein) zur Innenministerin.
Doch schnell kommt es auch in der Frauenpartei zu Interessenkonflikten. Mavie will Männer zu geschlechtslosen Wesen machen, um diese vor sich selbst zu beschützten, klein zu halten und gleichzeitig den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Anita scheint die einzige Aufrechte in der Truppe, ihr Mann, der sanfte und treu sorgende Virologe Ralph Martinelli (Yousef Sweid), soll an einem Impfstoff forschen und wird doch Spielball einer Intrige. Und von der Seitenlinie schießt die fitness- und schlankheitswilde, kapitalistische, sexaggressive Pharmaunternehmerin Hilda Helsinki Pfeiffer (Bibiana Beglau) mit ihren eigenen Interessen ins Feld.
Regisseurin und Drehbuchautorin Irene von Alberti gibt sich der völligen Überzeichnung hin: knallbunte Kostüme, riesenhafte Phallussymbole, eine Amazonenreiterstaffel, eine Kanzlerin, die Orden an kastrierte Männer verteilt, antiseptische Räume, die zwischen Utopie und Dystopie, Satire und Drama changieren. Alles ist irgendwie drüber, auch thematisch. Das geht hin und wieder auf Kosten der Stringenz. Am Ende deutet sie so etwas wie eine perfekte Gesellschaft an, für die aber erst einmal tradierte Muster zerschossen werden müssen. Dem schaut man ebenso fasziniert wie erschüttert gern zu.
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