Kritik zu Der Sohn des Mullahs
Beklemmende Dokumentation über den ermordeten iranischen Dissidenten Ruhollah Zam, die viele Fragen aufwirft
Als der aus dem Iran geflohene und in Paris im Exil lebende Journalist Ruhollah Zam mit einer List in den Irak gelockt, von dort in den Iran entführt und nach einem Schauprozess im Dezember 2020 hingerichtet wurde, löste das international Empörung und scharfe Kritik aus. Seit 2018 hatte ihn die iranisch-schwedische Filmemacherin Nahid Persson Sarvestani begleitet und aus ihrem Material eine berührende und in vielerlei Hinsicht verstörende Dokumentation geschaffen.
Persson Sarvestani reist 2019 nach Paris, von französischen Sicherheitskräften wird sie zu Zam und seiner Familie gebracht, die an einem geheimen Ort lebt. Er gibt der Filmemacherin dennoch bereitwillig Auskunft, lässt sie an seinem Alltag und dem seiner Familie teilhaben. Der besteht vor allem aus zahlreichen Telefonaten, die er mit seinen Informanten auf der ganzen Welt führt, aus Nachrichtenbeiträgen für seinen Nachrichtenblog AmadNews, die er aus einem kleinen Pariser Zimmer in die ganze Welt sendet. Er, der einst privilegiert als Sohn eines Mullahs im Iran aufwuchs, will die Korruption in seiner Heimat, die Verlogenheit der iranischen Elite und die Machenschaften des Unrechtsstaats aufdecken. Er wird ihm gefährlich.
Persson Sarvestani scheint der Familie sehr nahezukommen, sitzt mit ihr beim Essen, spielt mit der kleinen Tochter, redet vertraut mit der älteren Niaz. Sie wird später selbst zu einer wichtigen Figur der Protestbewegung »Frauen, Leben, Freiheit«. Sarvestani spricht auch mit Informanten, mal über das Handy, wenn die Kameras auf beiden Seiten ausbleiben, mal trifft sie sie persönlich. Sie befragt Zam und seine Frau, die eine befremdliche Unbeschwertheit an den Tag legen. Vielleicht ist es auch Zynismus oder eine Überlebensstrategie. Was wie eine sachliche Dokumentation beginnt, entwickelt sich zu einem verstörenden Agententhriller, in dem keiner mehr weiß, wem er trauen kann, woher die Informationen kommen. Wer Freund und Feind ist, welche Nachrichten und Bilder vom Regime manipuliert sind.
Doch genau darin liegt auch eine Schwäche des Films. Ruhollah Zam nutzt selbst Falschinformationen, um den Iran zu täuschen, damit »sich die Unterdrücker unwohl fühlen«, er lässt sich mit Mächtigen ein, um Geld für einen eigenen Fernsehsender zu generieren. Auch warum er die Filmemacherin in seine Wohnung lässt, sie seine Kinder ungepixelt zeigen darf, ein langer Schwenk über den gegenüberliegenden Straßenzug erlaubt, der eine klare Verortung seines Verstecks ermöglicht, irritiert. Sarvestani selbst hält ihre Quellen geheim: Gestochen scharfe Bilder aus dem Gerichtssaal, aus Zams Gefängniszelle und dem Auto, mit dem er entführt wurde, machen zumindest stutzig. TV-Sender-Logos sind gepixelt oder lassen sich nur schwer nachrecherchieren. Einige ihrer Szenen wirken arg inszeniert.
Über den Terror, der vom Iran ausgeht, bestehen keine Zweifel, über den Mut der Dissidenten und der Bedeutung ihres unermüdlichen Kampfes gegen das Regime auch nicht – doch diese Dokumentation hinterlässt ein beklemmendes Gefühl – auf gleich mehreren Ebenen.
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