Kritik zu Der Hochzeitsschneider von Athen

© Neue Visionen Filmverleih

Der kleine Film aus Griechenland behandelt zwar nur das Schicksal eines Schneiders in Krisenzeiten, ist gleichzeitig aber ein tiefgreifendes Porträt von großer allgemeiner Bedeutung

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Blank geputzte braune Lederschuhe auf der Wippe einer altmodischen Nähmaschine. Ruhig und ohne sich einer bestimmten Zeit zu unterwerfen, eröffnet die deutsch-griechische Regisseurin Sonia Liza Kenterman ihren neuen Film. Sie führt eine Figur ein, die wie aus der Zeit gefallen scheint, einen Schneider, der ausschließlich Maßanzüge herstellt, perfekt im Schnitt, hochwertig im Stoff und im oberen Preissegment. Gemeinsam mit seinem alten Vater betreibt Nikos einen Laden, dem nach und nach alle Kunden wegbleiben. Der Maßanzug, so viel wird klar, ist nur noch etwas für eine aussterbende Minderheit. Billigangebote überschwemmen den Markt; Nikos fürchtet, seinen Laden an die Bank zu verlieren.

Dann kommen zwei Dinge zusammen. Sein Vater erleidet einen Schlaganfall und Nikos beobachtet einen fliegenden Bücherhändler. Mit handwerklichem Geschick baut er einen Wagen, mit dem er nun durch die Straßen zieht, um seine Kleidung an den Mann zu bringen. Doch seine potenziellen Kunden sind allesamt weiblich. Und so lernt er, Hochzeitskleider zu nähen. »Wir sind Schneider«, mahnt sein Vater, »keine Näherinnen von Kleidchen«, doch das hindert Nikos nicht. Vor dem endgültigen Aus des traditionsreichen Geschäfts steht der Überlebensinstinkt. 

»Der Hochzeitsschneider von Athen« steht in der Tradition der Filme, die Handwerker zum Zentrum erheben, »Der Bienenzüchter«, »Der Mann der Friseuse« oder »Die Phantome des Hutmachers« und wendet sich nicht primär gegen die Wirtschaftskrise in Griechenland. Es dauert eine Weile, bis wir bemerken, dass wir uns tatsächlich in der Gegenwart befinden. Das Schneiderhandwerk ist eben nicht nachhaltig, wie Nikos' Vater behauptet. Natürlich brauchen Männer immer Anzüge, aber die werden inzwischen in Bangladesch oder China gefertigt. Nur besondere Momente erfordern noch besondere Kleidung. So ist die Hochzeit nahezu die einzige Gelegenheit, zu der vor allem Frauen bereit sind, viel Geld für ein Kleid auszugeben, das sie kein zweites Mal tragen werden. In dieser Nische richtet Nikos sich ein, und wenn die Kundinnen seinen Laden nicht finden, so fährt er eben zu ihnen. Dass es in diesem sehr besinnlichen, überaus detailfreudigen Film auch noch eine kleine Liebesgeschichte gibt, fällt kaum ins Gewicht. Wie nebenbei entwickelt sich zwischen Nikos und der Mutter eines kleinen Mädchens aus der Nachbarschaft erst eine Arbeits- und dann eine Liebesbeziehung. Ohne Dramatik und ohne Aussicht auf Dauer.

Griechenland ist ein kleines Filmland, doch die Qualität der Filme, die uns von dort erreichen, ist erstaunlich. Voller Poesie, voller erzählerischer Kraft sind die Bilder, fast alle kommen mit wenig Dialog aus und setzen auf die Imaginationsfähigkeit des Zuschauers. Indem sie das Allgemeine, eine altmodische Figur, die sich über die Zeiten hinwegrettet, mit einem gegenwärtigen Problem, der Krise der Wirtschaft im Allgemeinen und des Einzelhandels im Besonderen, verbindet, gelingt Kenterman ein Film von großer Wirkung.

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