Kritik zu Der Dieb des Lichts
Der kirgisische Regisseur Aktan Arym Kubat (»Beshkempir«) beweist einmal mehr, dass lokal und global keine Gegensätze mehr sind
Die Stromzähler in Kirgisien sehen fast so aus wie früher bei uns. Und auch einen Kerl wie Svet-Ake würden wohl viele Deutsche gern in ihren Dienst nehmen. Denn der gedrungene Mann mit Schnauzer und regionaltypischem Filzhut ist nicht nur der einzige Elektriker in dem kleinen Dorf Kok-Mainok. Er ist auch begehrter Spezialist auf einem ganz besonderen Gebiet: Nach dem Elektroanschluss aus seiner Hand dreht sich das große Rad im schwarzen Zähler rückwärts statt nach vorn. Was das bedeutet, weiß jeder von Kok-Mainok bis Berlin.
Die von steigenden Energiepreisen gebeutelten Dörfler jedenfalls lieben ihren »Lichtmann«, der auch sonst mit Rat und Tat in jeder Lebenslage hilft. Nur die Polizei nennt seine praktische Nachbarschaftshilfe Manipulation. Svet-Ake ist seinen Job los. Doch der Energiefachmann hat noch eine andere scheinbar verstiegene wie höchst aktuelle Vision: Wäre es nicht großartig, wenn die Dörfler ihre Energie in Zukunft nicht mehr teuer kaufen müssten, sondern sich einfach von jenem Element holen, das in ihrer rauhen Heimat im Überfluss verfügbar ist: vom Wind. Ein rostiges Windrad tut schon seine Dienste vor Svet-Akes Haus. Die meisten Nachbarn halten ihn für einen Spinner. Doch als ein neuer Bürgermeister gewählt wird, findet Svet-Ake endlich Verbündete für seinen Plan. Doch dem freundlichen Exsowjetbürger fehlt es an praktischer Kenntnis des neuen Systems, um hinter der wohlwollenden Unterstützung die eigennützigen Interessen zu erkennen.
»Der Dieb des Lichts« ist ein sympathetisches Porträt eines sympathischen Idealisten und auch – mit seinem bunten, teilweise skurrilen Personal – eine klassische Dorfgeschichte im neuen Gewand der globalisierten Zeit, wo Investoren auch um scheinbar entlegene Weltregionen wetteifern. Schauplatz ist ein ärmliches, aber hübsches Dorf in einem von Bergketten umsäumten Hochtal. Arbeit gibt es hier keine. Und neben den schäbigen Ladas parken immer öfter die SUVs der neuen Elite, die darauf brennen, scheinbare Ödnis in blühende Landschaften zu verwandeln.
1998 hat Aktan Arym Kubat (damals noch unter dem Namen Abdykalykow) mit »Beshkempir« den ersten »richtigen« Film des unabhängigen Kirgisistan gedreht und ganz zurecht Zuschauern und Preisjurys gleichermaßen den Kopf verdreht. Dreizehn Jahre später ist der 1957 geborene Regisseur seinem ländlichen Sujet und der poetisch-impressionistischen Erzählweise treu geblieben, auch wenn das virtuos Hingetupfte des Debüts einer etwas geradlinigeren Botschaft gewichen ist, was vermutlich auch den Erwartungen der von Arte/ ZDF bis Hubert Bals Fund weitgefächerten westeuropäischen Geldgebern geschuldet ist. Anders lässt sich Autorenkino in Zentralasien derzeit sicherlich nicht finanzieren. Dabei ist das Eurogesponsterte Weltkino notgedrungen immer auch europäische Projektion der Welt. Der Film selbst thematisiert solche Prostitution auf viel drastischerer Ebene. Da wird vom beflissenen Bürgermeister extra für eine Gruppe chinesischer Investoren eine große Jurte im traditionellen Stil aufgebaut. Was drinnen geschieht, müssen Sie selber sehen.
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