Kritik zu Brothers

Trailer englisch © Verleih

Wenn der Krieg von der Front nach Hause kommt: In Jim Sheridans Remake von Susanne Biers Kriegsheimkehrerdrama »Brødre« darf Tobey Maguire zeigen, dass er mehr kann als »Spider-Man«

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Der eine ist ein liebender Familienvater und rechtschaffener Bürger, der andere ein verantwortungsloser und aggressiver Loser. Dies ist die Ausgangskonstellation des Dramas, in dem Soldat Sam vor seinem Afghanistaneinsatz Abschied nimmt von seiner Familie, seinen Eltern – und seinem Bruder, der gerade aus der Haft entlassen wurde. In Afghanistan wird Sam jedoch von den Taliban verschleppt. Bei seiner Heimkehr Monate später ist der einst souveräne Mann schwer traumatisiert. Das schwarze Schaf Tommy jedoch hat sich zum Kümmerer entwickelt, sich Sams Frau Grace angenähert und bei den zwei kleinen Töchtern als Hausfreund unentbehrlich gemacht.

Mit nur kleinen Änderungen setzt Jim Sheridan sein Remake von Susanne Biers dänischem Drama von 2004 in Szene. Roter Faden ist der Krieg, der die Soldaten wie eine unheilbare Infektion in die Heimat verfolgt. Dabei trifft Sams existenzielle Schuld, die an eine griechische Tragödie erinnert – um zu überleben, wurde er zu etwas getrieben, was er sich nie wird verzeihen können – auf eine therapeutische Perspektive, in der das »darüber Reden« als Problemlösung offeriert wird.

Wie das Original ist auch das Remake ein anregendes und zugleich merkwürdig hohles Psychodrama, das einer therapeutischen Familienaufstellung ähnelt. Zwar bemüht sich Sheridan, den Ball flach zu halten, und empfindet in der Inszenierung die Kargheit des Originals nach. Dennoch tritt in der US-Version mit ihren geschliffenen »production values«, der ausgefeilten Kameraarbeit, den Stars, die sich, wie die schöne Natalie Portman, als »redliche kleine Leute im amerikanischen Hinterland« verkleiden, das Holzschnittartige dieser Moralparabel noch stärker hervor. Sam Shepard gibt den verbitterten Vater, der seinen Frust über Tommy und seine eigenen Erlebnisse als Vietnamveteran im Suff ertränkt – und dessen Weg auch der gebrochene Held Sam einzuschlagen droht. Eindrücklich sind die Kinderparts: Wenn eines der Mädchen als Seismograph der unterdrückten Spannungen so biestig tut, wie es nur Kinder können, spiegelt sich darin im Ansatz die brüderliche Rollenverteilung.

Tatsächlich erzeugt Tobey Maguire als abgemagerter, angespannter Heimkehrer bei seinen Kids nachvollziehbar Gänsehaut. Mutierte der blond-blauäugige »Brødre«-Hauptdarsteller Ulrich Thomsen zum wikingerhaften Berserker, so erinnert Maguire an »Taxi Driver« Travis Bickle. Dass der Spider-Man auch anders kann, durfte er bisher nur selten zeigen. Jake Gyllenhaal als Tommy mit Dackelblick ist zwar viel zu schnell gut, um wahr zu sein. Dennoch gehört die Skizze der Bruderbeziehung zu den stärksten Momenten. Bier, eine Männerregisseurin, betrachtete den Rollentausch quasi mit dem Blick einer mitfühlenden Pfarrerin. Sheridan spitzt die allegorische Seite des Films zu, indem er den Taliban-Anführer als archaische Verkörperung des Bösen zeigt, der in dem hochgestimmten Westler etwas weckt, das dessen Leben vergiften wird. Es sei denn, die Ehefrau ist so engelhaft wie Natalie Portman, die hier kaum Besseres zu tun hat, als leidend zu schauen und Umarmungen zu spenden.

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